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Das Schloss in Frankreich

Das Schloss in Frankreich

Titel: Das Schloss in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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ist dieses Talent doch erblich.«
    »Die Ehre gebührt meinem Lehrer.«
    »Ihr französisches Erbe kommt zum Vorschein, Shirley, aber Ihre Technik braucht noch etwas Schliff.«
    »Damit ist es wohl nicht so weit her, was?« Sie schüttelte das zerzauste Haar zurück und seufzte tief. »Ich glaube, das schaffe ich nie, weil zu viel puritanisches Blut von den Vorfahren meines Vaters in mir fließt.«
    »Puritanisch?« Christophes tiefes Lachen hallte in der Morgenstille wider. »Chérie, kein Puritaner hatte jemals so viel Feuer wie Sie.«
    »Ich betrachte das als Kompliment, obwohl ich ernsthaft glaube, dass es nicht so gemeint war.« Sie drehte sich um und blickte von der Hügelkuppe hinunter in das weitgedehnte Tal.
    »Oh wie bezaubernd.«
    Die Szenerie in der Ferne glich einer Postkarte: Auf den sanften Hängen weidete Vieh, blitzsaubere Hütten lagen im Hintergrund. Noch weiter entfernt gewahrte sie ein winziges, wie von einer Riesenhand hingezaubertes Spielzeugdorf mit einer weißen Kirche, deren Turmspitze himmelwärts ragte.
    »Was für ein schöner Anblick. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.« Ihre Augen wanderten zu dem grasenden Vieh zurück. »Gehört es Ihnen?« Sie streckte die Hand aus.
    »Ja.«
    »Dann ist dies hier also alles Ihr Eigentum?« Sie war überwältigt.
    »Es ist nur ein Teil unserer Ländereien.« Gleichmütig hob er die Schultern.
    Wir sind so lange geritten, überlegte Shirley, und noch immer befinden wir uns auf seinem Besitztum. Wer weiß, wie weit es sich in die anderen Richtungen ausdehnt. Warum kann er nicht einfach ein ganz gewöhnlicher Mann sein? Sie wandte den Kopf wieder um und beobachtete sein falkenähnliches Profil. Aber er ist nun einmal kein gewöhnlicher Mann, rief sie sich zur Ordnung. Er ist der Graf de Kergallen, Gebieter über alles, was in Reichweite liegt, und daran muss ich mich stets erinnern. Sie blickte wieder zum Tal zurück und wurde nachdenklich. Ich will mich nicht in ihn verlieben. Sie schluckte die plötzliche Trockenheit in der Kehle hinunter und wählte sorgfältig die nächsten Worte, gegen die Stimme ihres Herzens ankämpfend.
    »Es muss wundervoll sein, so viel Schönheit zu besitzen.«
    »Man kann Schönheit nicht besitzen, Shirley, sondern sie nur hegen und pflegen.«
    Sie focht gegen die Wärme an, die seine weichen Worte in ihr entfachten, und heftete weiterhin die Augen auf das Tal. »Tatsächlich? Ich glaubte, dass die Aristokraten solche Dinge als selbstverständlich hinnehmen.«
    Sie machte eine weite, ausladende Handbewegung. »Schließlich ist das Ihr gutes Recht.«
    »Sie mögen Aristokraten nicht, Shirley, aber auch in Ihren Adern fließt aristokratisches Blut.« Ihr verblüffter Gesichtsausdruck veranlasste ihn zu einem leichten Lächeln. Seine Stimme klang zurückhaltend: »Ja, der Vater Ihrer Mutter war ein Graf, wenngleich sein Besitz während des Krieges geplündert wurde. Der Raphael war eine der wenigen Kostbarkeiten, die Ihre Großmutter rettete, als sie flohen.«
    Wieder dieser verflixte Raphael, dachte Shirley düster. Christophe war ärgerlich.
    Das schloss sie aus dem harten Gesichtsausdruck, und sie fühlte sich seltsam befriedigt. Es war leichter für sie, ihre Gefühle für ihn zu bezwingen, wenn sie miteinander auf Kriegsfuß standen.
    »Demnach bin ich zur Hälfte ein Mädchen vom Land und zur Hälfte eine Aristokratin.« Ihre Schultern bewegten sich abweisend. »Damit wir uns recht verstehen, lieber Cousin: Ich bevorzuge die ländliche Hälfte meiner Abstammung. Das blaue Blut überlasse ich Ihrer Familie.«
    »Sie sollten sich besser daran erinnern, dass wir nicht blutsverwandt sind, Mademoiselle.« Christophes Stimme klang verhalten. Als Shirley ihm in die schmalen Augen sah, spürte sie eine leise Furcht aufsteigen.
    »Die Kergallens sind berüchtigt dafür, sich zu nehmen, was sie begehren, und ich bin keine Ausnahme. Geben Sie Acht auf Ihre schimmernden Augen.«
    »Die Warnung ist überflüssig, Monsieur. Ich kann sehr gut allein auf mich aufpassen.«
    Er lächelte Vertrauen erweckend. Das war entmutigender als eine wütende Antwort. Dann dirigierte er sein Pferd zurück zum Schloss. Der Rückritt verlief schweigend. Nur gelegentlich gab Christophe Anweisungen. Er und Shirley hatten die Klingen erneut gekreuzt, und Shirley musste zugeben, dass er ihren Hieb mühelos pariert hatte.
    Als sie wieder bei den Ställen angelangt waren, saß Christophe federnd ab, übergab einem Stallknecht die Zügel und half

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