Das Schloß
daran verstärkt, ob er wirklich der ist, für den er sich ausgibt. Vom Schloss erhält K. die telefonische Mitteilung, er werde es niemals betreten dürfen; als kurz darauf aber der Schlossbote Barnabas erscheint mit einem Schreiben, in dem seine Ernennung bestätigt wird, hängt er sich an diesen, um sich von ihm in den verbotenen Bereich geleiten zu lassen, der Gang endet aber zu seiner Enttäuschung im Haus der Familie des Barnabas. Dort lernt K. dessen Schwester Olga kennen, mit der er zum »Herrenhof« geht, dem Wirtshaus der Schlossbeamten, wo einer von diesen, ein gewisser Klamm, auch bisweilen übernachtet. K. macht dem Schankmädchen Frieda, der Geliebten Klamms, Avancen und vereinigt sich mit ihr im Dunkeln auf dem Boden der Schankstube. Frieda verlässt den Schlossbeamten und übersiedelt mit ihrem neuen Geliebten in ein anderes Wirtshaus. Am Morgen darauf wird K. die Stelle des Schuldieners angeboten, da man keinen Landvermesser benötigt: Die vor Jahren erfolgte Berufung eines solchen wurde nur aufgrund eines Irrtums der Behörde nicht rückgängig gemacht – die Ineffizienz der Bürokraten auf dem Schlossberg wird im Verlauf des gesamten Romans immer wieder hervorgehoben. Frieda bereitet ihrer beider Umzug ins Schulhaus vor.
K. begibt sich erneut in den Herrenhof, vor dem er im Dunklen lange vergeblich auf Klamm wartet, dessen Schlitten dort zur Abfahrt bereit steht, und dann in die Schankstube zurückkehrt. Dort wird er von Klamms Dorfsekretär Momos einem Verhör unterzogen, dem er sich aber widersetzt; währenddessen fährt Klamm davon. K. beauftragt Barnabas damit, Klamm um eine Unterredung zu bitten. Als die Rückkehr des Boten allzu lange auf sich warten lässt, sucht K. beunruhigt dessen Schwestern Olga und Amalia auf. Olga weiht ihn in »Amalias Geheimnis« – so die Kapitelüberschrift – ein. Diese hat den unsittlichen Antrag eines Schlossbeamten abgelehnt und dabei den – damaligen – Schlossboten beleidigt. Seitdem lebt die gesamte Familie in Erwartung der Strafe, die von oben kommen wird, und setzt ihre ganze Kraft in den Versuch, diese abzuwenden. In der Zwischenzeit verlässt Frieda K., da sie erkannt hat, dass sie für ihn nur Mittel zum Zweck war, er über sie Kontakt mit Klamm aufnehmen wollte. Barnabas überbringt K. die Aufforderung, in den Herrenhof zu kommen, wo Klamms Sekretär Erlanger zu einem Gespräch mit ihm bereit sei. K. der immer erschöpfter geworden ist, gerät aber versehentlich in das Zimmer Bürgels, eines anderen Sekretärs, der sich freundschaftlich mit ihm unterhält. K. schläft jedoch ein und verpasst so die – als einmalig aufzufassende – Gelegenheit, seine »Bitte […] vorzubringen, für welche die Erfüllung schon bereit ist, ja welcher sie sich entgegenstreckt«. Da er vor Erschöpfung den Herrenhof nicht zu verlassen vermag, erhält K. die Erlaubnis, sich in der Schankstube auszuschlafen. Als er nach zwölf Stunden erwacht, ist es schon wieder Abend. Derselbe Fuhrmann Gerstäcker, der K. am Tag nach seiner Ankunft ins Wirtshaus zurückgeführt hat, nimmt diesen mit sich nach Hause; ähnlich wie K. sich im Umgang mit allen anderen von rein utilitaristischen Motiven hat leiten lassen, wird aber auch Gerstäcker nicht aus menschlichen Beweggründen zu dieser Geste veranlasst: »›Ich weiß warum Du mich mitnehmen willst‹, sagte nun endlich K. […] ›Weil Du glaubst, daß ich bei Erlanger etwas für Dich durchsetzen kann.‹ ›Gewiß‹, sagte Gerstäcker, ›was läge mir sonst an Dir.‹« Wenige Zeilen später, nachdem noch die Ankunft der beiden in der ärmlichen, nur »matt beleuchtet[en] Stube« von Gerstäckers Hütte, geschildert wurde, bricht der Roman ab.
Kafka begann seinen letzten Roman, der wie die beiden anderen von ihm überlieferten Werke dieses Genres unvollendet blieb, am 27 . Januar 1922 in Spindlermühle. Er hatte etwa zwei Wochen zuvor einen »Zusammenbruch« erlitten; verantwortlich dafür waren das unaufhaltsame Voranschreiten seiner Lungentuberkulose und das ihn in Zusammenhang damit immer öfter und stärker quälende Gefühl, durch seine schon früh getroffene Entscheidung für eine ganz dem Schreiben gewidmete einsame Existenzweise vieles versäumt und sein Leben eigentlich nicht gelebt zu haben. Zur Erholung fuhr er in den im Riesengebirge gelegenen Kurort, wo er noch am Tag seiner Ankunft einen ersten Ansatz zu dem Roman (das »Fürstenzimmerfragment«) zu Papier brachte, der nach wenigen Seiten wieder
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