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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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dass diese ehrwürdige Matriarchin heute nach New York gefahren war. Auf jeden Fall wäre eine weitere Lüge erforderlich, wenn sie mit einem Arm voller Rosen zu Mr. O’Dell zurückkehrte.
    Auch gut, fand Cora, als der Zug zu summen und vibrieren begann und sich aufs Anfahren vorbereitete. Der Blumenstrauß war teuer gewesen, aber vielleicht hatte jemand Glück und fand ihn und freute sich darüber.
    »Ich muss gehen«, sagte Mary O’Dell zu Cora. Ihre Stimme war fest. Aber in ihren Augen lag eine derartige Verzweiflung, dass Cora vortrat und sie noch einmal in die Arme nahm, diesmal langsamer und behutsamer, nicht stürmisch und impulsiv wie ein Kind. Mary O’Dells Schultern, schmal wie ihre eigenen, fühlten sich unter ihren Armen steif an, aber sie hielt Cora fest und ließ sie erst los, als der Schaffner ihr durchs Fenster zurief, dass sie einsteigen sollte. Sie trat zurück, der graue Hut ein bisschen schief auf ihrem Kopf, und starrte Cora an.
    »Es war schön, dich kennenzulernen«, sagte Cora, ohne wirklich zu überlegen. Ihre nichtssagende Höflichkeit war tief verwurzelt.
    Aber es kam nicht darauf an, was sie sagte oder ob es wahr war. Wieder ächzte der Zug, diesmal wurde es ernst, und Mary O’Dell wandte sich zum Gehen. Sie drehte sich nicht um, nicht ein einziges Mal. Aber Cora, die nicht einmal den allerletzten Blick verpassen wollte, beobachtete, wie sie ihren Rock raffte und damenhaft in den Zug stieg.

15
    Trotz der Hitze und der Tatsache, dass andere Schüler bereits herauskamen, wartete Cora bis Punkt drei Uhr, bevor sie in die Kirche ging, um Louise abzuholen. Sie brauchte einfach noch ein paar Minuten, um sich für das, was ihr bevorstand, zu wappnen – ein langer Abend, an dem es ihre frischen Wunden, noch offen und blutend, vor dem Salz von Louises Provokationen zu schützen galt. Das war nur möglich, wenn sie auch vor sich selbst so tat, als wäre sie gar nicht verwundet, entschied sie. Sie würde ihre Gedanken disziplinieren und ihnen nicht erlauben, dass sie sich mit Haverhill, Massachusetts, oder Dornen im Auge oder dem Umstand, dass ihr Herz vor Kummer zu brechen schien, beschäftigten. Wenigstens lag kein Wochenende mit zwei vollen Tagen Betreuung ihrer Schutzbefohlenen vor ihr. Am nächsten Morgen konnte sie Louise zum Unterricht begleiten und danach in das leere Apartment zurückkehren, wo sie fast fünf gesegnete Stunden lang ihrem Schmerz freien Lauf lassen konnte.
    Lieber wäre sie nicht allein gewesen. Lieber hätte sie sich mit Joseph Schmidt unterhalten, mit ihm im Drugstore gesessen und Orangeade getrunken. Vielleicht, weil sie ihm schon so viel erzählt hatte. Vielleicht. Darauf kam es nicht an.
    Zum Glück würde es nicht besonders anstrengend sein, die Louise, die sie an diesem Nachmittag erwartete, zu ertragen, die mürrische, vom Unterricht erschöpfte Louise. Das Mädchen war meistens zu müde, um Cora auf dem Heimweg in der Hitze bewusst zu provozieren. Wenn sie sprach, dann nicht, um Konversation mit Cora zu machen, sondern um ihr alle möglichen Dinge mitzuteilen – wie perfekt Ted Shawn sich bewegte, wie blöde die anderen Schüler waren oder wie sehr sie sich nach einem Bad sehnte, alles Themen, die von ihrer Begleiterin weder eine Antwort erforderten oder auch nur erwarteten. Das wäre heute sehr angenehm. Cora würde Schweigen ebenso begrüßen wie die Ablenkung, die Louise darstellte. Sie wollte nur keinen Streit, nicht, solange sie sich immer noch an den Duft der Rosen in der Grand Central Station erinnerte und an den zerknitterten Rücken von Mary O’Dells Kleid, als sie in den Zug stieg, nicht, solange sie noch immer so erschüttert war, dass sie die Augenbrauen hochzog und schluckte, um nicht mitten auf der Straßen in Tränen auszubrechen.
    Sie konnte nur hoffen, dass der heutige Unterricht besonders fordernd und schweißtreibend gewesen war.
    Aber als sie schließlich das Gebäude betrat und die Kellertreppe hinunterging, rief Louise nach ihr und lief ihr entgegen. Ihre Augen leuchteten, ihr Mund war zu einem strahlenden Lächeln verzogen, und obwohl sie immer noch ihre Tanzsachen trug, wirkte sie eher ekstatisch als erschöpft.
    »Sie haben mich ausgewählt!« Sie packte Cora mit einer warmen, feuchten Hand am Ellbogen. »Für die Truppe, Cora! Mich! Miss Ruth ist wieder da, und sie haben die Entscheidung getroffen. Sie wartet im Studio auf Sie. Sie haben nur eine Schülerin ausgewählt.« Sie tippte mit dem Finger auf ihren verschwitzten

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