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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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was sollte sie ihnen sagen? Dass ihre Tochter möglicherweise missbraucht worden war? Würden sie darauf bestehen, dass Cora mit Louise zum Arzt ging? Vielleicht hatte Floyd nicht gelogen. Vielleicht hatte er sie nicht angerührt und ein Arzt könnte bestätigen, dass es zu keinem Missbrauch gekommen war. Cora würde schwören, nie ein Wort darüber zu verlieren. Das würde sie. Aber Louise musste aufhören, hämisch zu grinsen und so zu tun, als wäre das alles wahnsinnig komisch.
    Louise setzte sich auf und hielt sich eine Hand vor den Mund. Cora, die kaum Erfahrung mit Betrunkenen hatte, aber ihren Mann und ihre Söhne unzählige Male bei Grippeanfällen gepflegt hatte, bugsierte Louises Kopf gerade noch rechtzeitig über die Toilette, bevor das Mädchen einen Schwall klarer Flüssigkeit von sich gab, die eher nach Galle als nach Wacholder roch. Cora musste sich abwenden, damit ihr nicht selbst übel wurde, aber sie ließ ihre Hände auf den schmalen Schultern des Mädchens. Bei jedem neuerlichen Erbrechen klopfte Cora ihr auf den Rücken.
    »Raus damit«, sagte sie. »Weiter! Sieh zu, dass alles rauskommt.«
    Sie wartete, bis nichts mehr in Louises Magen war, was sie hätte von sich geben können, und das Mädchen sich aufrichtete. Ihre Nase und ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen matt und trübe. Sie rutschte über den Boden, bis sie an den Rand der Wanne stieß, und da saß sie nun mit gespreizten Beinen, einen Träger des Nachthemdes von der Schulter gerutscht. Cora betätigte die Spülung, setzte sich ebenfalls auf den Boden und lehnte sich an die Wand.
    »Das war echt toll«, flüsterte Louise. »Jetzt geht’s mir schon viel besser.«
    Cora schüttelte den Kopf. Es war ein Fehler gewesen, dem Mädchen auf die Schultern zu klopfen, ihr Hilfe und Trost anzubieten. Es gab kein Zeichen von Reue oder Einsicht. »Louise. Das ist eine sehr ernste Situation. Ich muss dich fragen, und du musst mir ehrlich antworten. Hat er die Situation ausgenutzt?«
    Die dunklen Augen richteten sich auf Cora, und so unglaublich es schien, selbst jetzt, mit Speichel auf dem Kinn, lag in ihnen wieder dieser herablassende, selbstgefällige Ausdruck. Sie kicherte, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Louise? Du hast meine Frage doch verstanden? Bist du dir sicher? Er hat die Situation nicht ausgenutzt? Verstehst du, was ich meine? Du hast dich nicht … kompromittiert, Louise? Das will ich wissen.«
    Louise hob ihre Hand, als müsste sie einen Schwur leisten. »Er hat mich nicht kompromittiert. Ich bin gänzlich unkompromittiert.«
    Cora schloss die Augen. »Gott sei Dank!«
    Louise lachte wieder und rieb sich mit einer Hand die Wange ab. »Danken Sie lieber mir, nicht Gott. Floyd ist einfach nicht mein Typ. Ich glaube, ich war ein bisschen zu viel für ihn.« Sie machte eine Pause und fuhr sich mit der Zunge über ihre Unterlippe. »Die anderen Männer in dem Laden hatten mehr Geld für Drinks.«
    »Ach, Louise.« Cora schüttelte den Kopf.
    »Ach, Cora.« Auch Louise schüttelte den Kopf. »Machen Sie sich keine Sorgen, dass meine Jungfräulichkeit in New York verloren gehen könnte. Zu Ihrer Information, sie war nicht mal im Gepäck. Sie ist irgendwo in Kansas geblieben.« Sie streckte ihre blassen Arme und bog ihren Rücken durch. »Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, wo Sie Ihre Verantwortung so ernst genommen haben. Das war wirklich zum Schießen.« Sie verschränkte die Arme und machte einen Schmollmund. »Arme Cora. Arme, einfältige Cora, die sich verpflichtet fühlt, meine Jungfräulichkeit zu beschützen. Ich fürchte, es war vergebliche Liebesmüh. Ich habe sie schon längst verloren.«
    Cora betrachtete das Gesicht des Mädchens, seine schläfrigen Augen. Vielleicht log sie und versuchte nur sie zu ärgern. Aber eigentlich wirkte Louise weniger wachsam und weniger überlegt als sonst. Der Alkohol machte sie nachlässig, aber ehrlich.
    »Überrascht?« Sie zog eine dunkle Haarsträhne zu ihrem Mund, kam aber nicht mit den Lippen heran. »Anscheinend wissen die Damen in Wichita doch nicht so viel über meine Fahrten zur Kirche.«
    Cora schüttelte verständnislos den Kopf.
    Louise verdrehte die Augen. »Eddie Vincent?«
    Cora brauchte einen Moment, um den Namen zu erkennen. »Mr. Vincent? Er war dein Lehrer in der Sonntagsschule, Louise. Du hast erzählt, dass er dich zur Kirche gefahren hat.«
    »Das hat er. Und einiges mehr.«
    Cora schluckte, als ihr der spöttische Gesichtsausdruck des Mädchens auffiel, die

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