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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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Bier darin, das in ihrem Traum süß schmeckte, wie Tee mit Honig. »Wie flüssiges Gold«, sagte Alan und hob seine Tasse, als wollte er einen Toast aussprechen, einen Toast, wie ihr schien, auf sie. Draußen hörte sie Sirenen, die immer näher kamen, vielleicht echte Sirenen auf den dunklen Straßen New Yorks, die Teil ihres Traumes geworden waren, aber sie war durstig, so durstig, und deshalb hörte sie auf, wütend zu sein und sich wegen der Sirenen Sorgen zu machen, und nahm einen tiefen Zug aus ihrer Teetasse, und der Geschmack des süßen Bieres war so vollkommen, so kühl und köstlich, dass sie den Kopf zurücklegte, um die Tasse zu leeren. Alan lächelte und sagte, es wäre alles in Ordnung. Sie müssten sich verstecken, aber sie wären keine schlechten Menschen, nur Menschen, die gerne etwas tranken.
    Sie hätte nicht sagen können, wovon sie aufgewacht war. Später würde ihr klar werden, dass es im Zimmer seit Stunden still war und sich nichts rührte außer dem surrenden Ventilator. Aber aus irgendeinem Grund, vielleicht war es die Hitze, vielleicht ein Auto mit einer Fehlzündung, kam sie in der Dunkelheit zu sich, obwohl ihre Augen noch geschlossen waren. Eine Weile lag sie einfach nur da und dachte an den seltsamen Traum und den süßen Geschmack des Bieres. Nur ein Traum, keine Erinnerung. Auf der Straße fuhr ein Auto vorbei, dann noch eines mit einem lauteren Motor, und sie machte die Augen auf. Der dünne Vorhang wurde von einer Straßenlaterne orange angestrahlt, und Cora drehte sich vorsichtig um, um Louise nicht zu stören. In den letzten paar Wochen hatte sie sich daran gewöhnt, das Bett mit einer anderen Person zu teilen und sich auf eine Seite zu beschränken und nicht wie daheim ungeniert Arme und Beine auszustrecken. Und daher spähte sie durch das Halbdunkel, um Louises Kopf auszumachen und abzuschätzen, wie viel Platz sie hatte.
    Sie sah nur das Weiß des Kopfkissens.
    Sie setzte sich auf und tastete mit den Händen das Leintuch ab.
    »Louise?«
    Der Ventilator drehte sich. Sie streckte eine Hand aus, um die Lampe anzuknipsen, und schirmte ihre Augen vor der Helligkeit ab. Im Badezimmer war es dunkel. Sie schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett.
    »Louise? Bist du da? Antworte mir!«
    Sie schaute sicherheitshalber im Badezimmer nach und eilte durch die Küche. Im vorderen Zimmer schaltete sie die Tischlampe an. Die gemalte Siamkatze starrte sie an.
    Sie lief ins Schlafzimmer zurück und griff hastig nach ihrer Uhr. Zwanzig nach drei. Sie raffte ihr langes Nachthemd, stützte ein Knie aufs Bett und spähte über den Rand auf die andere Seite, wo Louise erst vor wenigen Stunden ihre Schuhe fallen lassen hatte. Sie waren nicht mehr da. Natürlich nicht. Louise hatte sie absichtlich draußen gelassen, unverfroren, direkt vor Coras Nase. Wann war das gewesen? Um zehn? Vor fast fünf Stunden, und es ließ sich unmöglich feststellen, wann sie die Wohnung verlassen hatte. Cora trat ans Fenster, zog den Vorhang zur Seite und schaute auf die Straße. Selbst zu dieser frühen Morgenstunde waren noch Leute unterwegs, Männer und Frauen, die über den Bürgersteig tänzelten, in Taxis stiegen, sich an den Ecken zu kleinen Gruppen scharten. In dem Gebäude auf der anderen Straßenseite konnte sie ein paar erleuchtete Fenster sehen. Aber der Schnellimbiss war geschlossen, das Neonschild erloschen, die Fenster verdunkelt. Vom Bürgersteig winkte ihr ein Mann ohne Jacke zu, während seine zwei Freunde lachten, als wäre bei all den kniefreien Mädchen auf der Straße Cora in ihrem züchtigen Nachthemd mit der Schleife am Kragen und dem offenen Haar diejenige, die sich vor ihnen zur Schau stellte. Sie trat zurück und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
    Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Die Nachbarn wecken? Die wenigen Leute, die ihr gelegentlich in der Eingangshalle oder im Treppenhaus begegnet waren, hatten nicht einmal Hallo gesagt. Sollte sie auf die Straße laufen und schreien? Einen Fremden fragen, wo das nächste Polizeirevier war? Um was zu tun? Eine Vermisstenanzeige aufzugeben? Ihre Finger strichen über den Spitzenkragen, über die Haut ihres Nackens. Nein. Es bestand kein Grund für echte Sorge. Louise war nichts passiert. Sie wollte etwas erleben, deshalb war sie ausgegangen, aber bald würde sie zurückkommen, und dann würde Cora ihr den Marsch blasen, aber anständig, und ihr klarmachen, was für einen Schreck sie ihr eingejagt hatte und wie unglaublich dumm es war,

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