Das Schmetterlingsmädchen - Roman
segeln.
Der nächste Stein traf die Tür.
Er machte auf. Cora hielt den Atem an. Ganz plötzlich kam ihr der Gedanke, dass er zwar schütteres Haar hatte und nicht besonders groß war, aber im Allgemeinen als recht gut aussehender Mann gelten konnte, und es durchaus möglich war, dass er nicht allein war und ihr eine Demütigung bevorstand.
Er trat auf den winzigen Treppenabsatz und spähte in den dunklen Hof, das Gesicht zur Hälfte von der Glühbirne beleuchtet. Schon jetzt lächelte sie, noch bevor er sie sah. Er hielt ein Buch in einer Hand und hatte seine Finger zwischen die Seiten geklemmt, um sich die Stelle zu merken. Mit der anderen Hand verscheuchte er die Insektenwolke. Er legte den Kopf zur Seite.
Sie winkte.
»Cora?«
Er hob einen Finger, um ihr zu bedeuten, kurz zu warten, und verschwand hinter der Tür. Einen Moment später kam er ohne das Buch zurück. Mit klirrenden Schlüsseln lief er die Treppe hinunter und nahm die letzten drei Stufen mit einem Satz.
»Was für eine schöne Überraschung«, sagte er. Wieder schien er sich aufrichtig zu freuen, sie zu sehen. Schon suchte er nach dem richtigen Schlüssel an seinem Bund.
Sie lehnte sich an das Tor, beide Hände auf das Geländer gestützt, das noch warm von der Sonne war. »Ich war … ich war gerade in der Gegend …« Sie brach ab. Diese Lüge war lachhaft. Es war beinahe dunkel. Was könnte sie hier schon zu tun haben? Nein. Diesmal hatte sie keinen Vorwand. Es gab kein Radio zu kaufen, keine Gefälligkeit zu erbitten. Die Wahrheit sah so aus: Sie war über sechzig Blocks weit gegangen, nur weil sie ihn sehen wollte. Es kam nicht darauf an, dass sie New York in einer Woche verlassen würde. Gerade weil sie wusste, dass sie heimfahren würde, blieb ihr keine Zeit für scheue Zurückhaltung.
»Ich habe heute Abend frei«, stammelte sie. »Ich dachte, vielleicht haben Sie auch nichts vor.«
Das reichte. Er nickte und sperrte das Tor auf.
17
Er stellte Fragen wegen der Abdrücke um ihre Taille und auf ihren Schultern.
»Kommt das von dem Ding, das du trägst?« Seine Finger, die sich auf ihrer Haut rau anfühlten, zogen einen Bogen von ihrer Brust bis zu ihrem Nabel. »Ist es so eng? Das muss doch wehtun.«
Sie genierte sich. Er hatte die Lampe auf dem Tisch angelassen. Es war nur eine Leselampe, aber der matte Lichtkreis reichte bis zum Bett. Obwohl sie sich bemüht hatte, sich zu entspannen und sich nur auf das zu konzentrieren, was sie fühlte und sah, war ihr ständig bewusst gewesen, dass sie für ihn sichtbar war, nicht im Schutz der Dunkelheit verborgen wie bei Alan. Und jetzt, danach, schien ihre Sorge berechtigt. Etwas war seltsam an ihrem nackten Körper, etwas, von dem sie nicht gewusst hatte, dass es ungewöhnlich war. Waren nicht auch bei anderen Frauen Spuren des Korsetts zu sehen? Cora schloss aus seiner Reaktion, dass er so etwas von seiner Frau nicht kannte. Einwanderinnen trugen nicht immer Korsetts, vor allem wenn sie arbeiteten. Aber hatten andere Frauen, die so wie sie waren, diese Spuren? Es gab keine Möglichkeit, es zu erfahren. Selbst als sie die Zwillinge zur Welt brachte, war sie mit einem Laken zugedeckt gewesen, das sie bis zu den Knien verhüllte. Seit Mutter Kaufmann aufgehört hatte, sie zu baden, hatte niemand mehr ihren nackten Bauch gesehen.
»Man gewöhnt sich dran«, sagte sie.
Er legte den Kopf aufs Kissen zurück und runzelte die Stirn. Aber er ließ seine warme Hand auf der Wölbung ihrer Hüften, und allmählich ließ ihre Befangenheit nach, immer mehr, bis sie gänzlich verschwunden war. Das hier, dachte sie. Das hier war es, was sie mehr als jede Scham oder Angst noch einige Zeit fühlen würde: seine kratzige Haut unter ihrer Kniebeuge, dazwischen nur ein dünner Schweißfilm. Sie lag ganz still da. Ihre Kniebeuge konnte schwitzen oder jucken oder Feuer fangen, sie würde sich nicht rühren, nicht, solange sie mit ihrer Haut dieses Gefühl aufnahm, damit es nicht verloren ging, auch wenn es fast zu viel war und alles in weniger als einer Woche endgültig vorbei sein würde.
Und dass er sich entschuldigt hatte, weil es bei ihm zu schnell gegangen war! Er hoffte, dass sie ihm noch eine zweite Chance gab. Er hatte gelächelt, deshalb hatte sie auch gelächelt, obwohl sie eigentlich nicht verstand, was er meinte – nichts hatte im Vergleich mit ihren Erinnerungen an die wenigen, lichtlosen Nächte mit Alan schnell gewirkt. Und Joseph hatte seine Hände auf ihr gelassen, seinen Mund, seinen
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