Das Schmetterlingsmädchen - Roman
jede von Ihnen ein geachtetes und beliebtes Mitglied dieser Gemeinde ist. Ich hoffe, dass Sie alle Ihren Namen unter eine Petition gegen diese Art der Zurschaustellung und Werbung für derartige Produkte setzen und zusammen mit mir daran arbeiten, gewisse Regeln des Anstandes für das Stadtzentrum durchzusetzen.«
Rund um den Tisch wurde beifällig gemurmelt und genickt. Cora, die unschlüssig war, was sie machen sollte, spielte mit ihrer Serviette. Sie hatte gerade auf Winnifred Fitchs Kosten frische Melone und ein Glas Eistee konsumiert; jetzt konnte sie sich nicht einfach drücken. Aber sie hätte sich nicht träumen lassen, dass bei diesem Brunch ein Feldzug gegen Kondome ins Leben gerufen werden sollte. Wirklich, dachte Cora, so schlimm war es nun auch wieder nicht. Jahrelang war bei McCall’s Lysol als weibliches Hygienemittel für nervöse Frauen beworben worden, und jeder wusste, was wirklich gemeint war: keine Schwangerschaft und keine Krankheit. Coras Arzt hatte sie gewarnt, dass das absoluter Unsinn wäre: Lysol würde kein Baby verhindern und könnte einer Frau ernstlich Schaden zufügen. Diese Warnung hatte Cora gereicht, die als verheiratete Frau die Möglichkeit hatte, sich ein Rezept für ein Diaphragma geben zu lassen – sowie sie den Mut aufbrachte, darum zu bitten. Aber was war mit jungen Mädchen wie Greta? Cora war im Grunde erleichtert, dass heutzutage ein Mädchen – oder auf jeden Fall ihr Verehrer – in einen Drugstore gehen und finden konnte, was gebraucht wurde. Nicht dass sie sich wünschte, dass Greta mit siebzehn intime Beziehungen einging – Cora hatte keine allzu hohe Meinung von dem festen Freund. Aber junge Leute waren nun mal junge Leute, ob Drogisten Kondome ins Regal stellten oder nicht. Erst vor einer Woche hatte Cora ein Bittschreiben von zwei Ärzten aus Wichita bekommen, die ein Heim für ledige Mütter gründen wollten. Die Ärzte schrieben, dass einige der Mädchen, denen sie helfen wollten, noch sehr jung waren und dass sie ebenso aus guten wie aus schlechten Familien stammten.
Also schwieg Cora während Winnifreds Rede. Sie lauschte dem Ticken ihrer Uhr und konzentrierte sich darauf, das Gefühl kühler Luft an ihrer Haut zu genießen. Es hatte keinen Sinn, mit einem Tisch voller Frauen zu debattieren, die, wie Cora damals auch, genau zu wissen schienen, was akzeptabel war und was nicht. Cora würde sie nicht umstimmen, schon gar nicht bei einem Brunch. Man würde sie in Bausch und Bogen verdammen. Sie konnte nur hoffen, dass es ihr irgendwie gelang, sich unauffällig davonzumachen, ohne irgendetwas zu unterschreiben.
Ethel Montgomery räusperte sich. »Vielleicht sollten wir uns gegen jede Form von Unmoral wenden«, schlug sie vor. »Hat jemand von euch gewusst, dass es zurzeit eine Bewegung gibt, die sich dafür einsetzt, Bier in Kansas zu legalisieren, solange es einen gewissen Stärkegrad nicht überschreitet? Ziel ist, auch hier die Prohibition abzuschaffen. Winnifred, ich teile Ihre Bedenken durchaus, aber ich finde, wir könnten uns auch dafür einsetzen, das Alkoholverbot beizubehalten. Mir scheint, diese beiden Anliegen sind zwei Seiten desselben Blattes.«
Cora unterdrückte ein Seufzen. Im Rest der Vereinigten Staaten war man bereits zu der Erkenntnis gelangt, dass die Prohibition als Experiment gescheitert war. Aber Kansas blieb stur. Trotzdem, hieß es im Wichita Eagle , ging man davon aus, dass in der Stadt pro Tag über siebenhundert Liter illegalen Alkohols getrunken wurden. So viel zur erzwungenen Mäßigung. In der Tat zwei Seiten desselben Blattes.
Die Kellner schenkten schweigend Wasser nach, und Cora erkannte in einem von ihnen Dellas jüngsten Sohn, der ungefähr im selben Alter wie Howard und Earle war. Sie lächelte, aber entweder bemerkte er es nicht oder gab vor, es nicht zu bemerken.
»Ihre Einstellung gefällt mir«, sagte Winnifred. Sie setzte sich wieder und murmelte ein Dankeschön, als ihr Glas nachgefüllt wurde. »Aber das ist ein kostenintensiverer Kampf. Die Prohibitionsgegner sind gut gerüstet und gut organisiert. Ich weiß, dass die meisten von uns momentan eher knapp bei Kasse sind.« Sie lächelte trocken. »Wenn wir es mit dem Alkohol aufnehmen wollen, müssen wir kreativ sein. Ist irgendjemand hier mit einem Millionär verwandt? Mit einem Großreeder vielleicht?«
Höfliches Gelächter, Viola, die rechts von Cora saß, stupste sie freundlich an. »Cora kennt Louise Brooks.«
Cora wandte den Kopf und starrte sie
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