Das Schmetterlingsmädchen - Roman
überhaupt nicht betroffen, auch dann nicht, als kein Regen kam und die Aktien nicht stiegen und ein Demokrat als Präsident vereidigt wurde. Cora ging immer noch zum Lunch oder auf Teapartys, wo sie und die Frauen, die sie kannte, weiße Handschuhe und Florentinerhüte und die neuen wadenlangen Kleider mit gegürteten Taillen und Bolerojäckchen trugen. Mittlerweile trugen nicht einmal mehr ältere Frauen ein Korsett, und es war leichter, zu essen und zu atmen und sich zu bewegen, aber selbst die angenehmeren Gürtel waren bei der Hitze fast unerträglich. An einem glühend heißen Sommermorgen, nach über elf Tagen mit Temperaturen an die vierzig Grad, mietete Winnifred Fitch, deren Mann aus einer bekannten Fleischverarbeitungsfamilie stammte, ein Theater und ließ Lampen und einen langen Tisch auf die Bühne stellen, damit sie und sieben andere Damen einen beim Partyservice bestellten Brunch zusammen mit der Annehmlichkeit einer Klimaanlage genießen konnten. Die kühle Luft weckte Coras Appetit, und sie aß voller Genuss fünf Scheiben frische Honigmelone.
Nachdem die Kellner vom Partyservice den Tisch abgeräumt hatten, räusperte sich Winnifred, die am Tischende saß, und stand auf. Sie war Anfang fünfzig, nur ein paar Jahre älter als Cora. Aber sie kannten sich nicht besonders gut, da die Familie Fitch erst vor Kurzem von Western Kansas in die Stadt gezogen war, weil – so unglaublich es schien – die Luft in Wichita besser war.
»Ich danke Ihnen für Ihr Kommen.« Winnifred strich das Oberteil ihres Kleides glatt. »Ich weiß, ich habe Sie unter dem vagen Vorwand von Wohltätigkeit eingeladen, und ich verspreche Ihnen, wenn Sie beim Gehen ein paar Quarter für das Einweckglas bei der Treppe erübrigen können, werde ich dafür sorgen, dass die Suppenküche der First Methodist das Geld erhält. Aber ich muss Ihnen sagen, dass ich Sie heute nicht hergebeten habe, um ein paar Cent einzusammeln.« Hier machte sie eine Pause und straffte ihre wattierten Schultern. »Meine Damen, ich habe diesen Brunch in der Hoffnung organisiert, dass wir uns gegen einen Feind verbünden, den alle Suppenküchen der Welt nicht besiegen können, einen Feind, der uns alle trifft, Reich wie Arm.«
Cora betupfte ihre Mundwinkel und machte ein erwartungsvolles Gesicht. Falls Winnifred Fitch eine Lösung zur Beseitigung des Staubes gefunden hatte, wollte sie es unbedingt hören.
Aber Winnifred machte ein ernstes Gesicht. »Als Neuling in dieser Gemeinde schockiert es mich, dass … obszöne Gegenstände dort zur Schau gestellt werden, wo die Öffentlichkeit, einschließlich unschuldiger Kinder, sie sehen kann. Ich spreche von Verhütungsmitteln. Ich habe den Eindruck, dass Drogisten in diesen schweren Zeiten so verzweifelt um ihr Einkommen kämpfen, dass sie jeden moralischen Standard beiseiteschieben. Obwohl Sie alle das Leben in einer Großstadt gewohnt sind, gefällt Ihnen sicher auch nicht, wie schwer es geworden ist, unsere Kinder und Enkelkinder vor dem vulgären Nebeneffekt einer derartigen Zurschaustellung zu beschützen.« Ihr Blick wanderte um den Tisch. »Virginia. Cora. Ich glaube, Sie haben beide Töchter im Teenageralter?«
Virginia nickte. »Drei meiner Töchter wohnen noch zu Hause«, sagte sie. »Und ich teile Ihre Sorge voll und ganz.«
Winnifred und alle anderen sahen Cora an.
»Greta ist meine Nichte«, sagte Cora.
Mehr sagte sie nicht. Ihr war klar, dass sie Winnifreds eigentliche Frage nicht beantwortet hatte, aber es schien ihr nicht ratsam, diesen Frauen zu erklären, dass es sie nicht störte, wenn Kondome in Drugstores offen auslagen. Tatsächlich hatte sie erst vor wenigen Wochen mit Greta über diese Neuheit gesprochen und beiläufig erwähnt, dass für den Fall, dass ein Junge und ein Mädchen der »Geburtenkontrolle«, um Margaret Sanger zu zitieren, bedurften, sie sich lieber an das reguläre Angebot eines Drogisten halten sollten, statt sich auf etwas zu verlassen, das in einem Billardsalon oder einer Tankstelle unter der Hand verkauft wurde. Greta, die sonst so redselig war, hatte es erst vor Schreck und dann vor Verlegenheit die Sprache verschlagen. »Tante Cora! Für was für ein Mädchen hältst du mich?«, hatte sie gerufen. »Für eines, das ich liebe«, hatte Cora geantwortet. Aber Cora hatte das Gespräch für angebracht gehalten. Greta war jetzt siebzehn und hatte einen festen Freund.
»Meine Damen«, fuhr Winnifred fort, »ich habe Sie heute hergebeten, weil mir bekannt ist, dass
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