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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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nachdem Betty Ann, die allein in Gretas Zimmer blieb, während Greta unten bei der Hausarbeit half, Gretas Tagebuch gelesen und sich schrecklich darüber aufgeregt hatte, wie sie von ihrer Freundin beschrieben wurde. Hässliche Worte fielen, und als Betty Ann nach Hause ging, war Greta in Tränen aufgelöst und erklärte Cora, dass alles, was in ihrem Tagebuch stand, ihre ganz privaten Gedanken waren und nicht für Betty Anns Augen bestimmt war. Noch während Cora ihr recht gab und sie tröstete, war sie erleichtert, dass Greta nicht in der Lage gewesen war, viel schwerwiegendere Dinge in ihr Tagebuch zu schreiben. Auch Joseph und Alan bestärkte der Vorfall in ihrer Überzeugung, dass sie das Mädchen, das sie alle liebten, weiter belügen mussten. Betty Ann Mills hätte sie alle in ihren schmuddeligen Kinderhänden haben können.
    Aber je länger sie warteten, desto weniger wahrscheinlich schien es, dass sie ihr je die Wahrheit sagen konnten. Jetzt war sie fast erwachsen, und sie war in dem Glauben aufgewachsen, dass Cora eine Blutsverwandte war, ihre Tante. Greta sah Cora überhaupt nicht ähnlich; sie war groß und blond und immer noch sehr dünn, was ihr großen Kummer bereitete, weil Kurven wieder in Mode waren. Aber einmal wies sie glücklich darauf hin, dass sie und Cora ähnliche Nasen und Hände hatten. »Ich weiß von Bildern, dass ich wie meine Mutter aussehe, wenigstens im Gesicht«, sagte sie zu Cora. »Aber es ist schön, dass ich auch ein bisschen wie du aussehe. Und deine Mutter ist auch gestorben, als du ein Baby warst. Ihr wisst beide, wie ich mich fühle, du und Papa.«
    Es ließ sich nicht abschätzen, wie sie die Neuigkeit aufnehmen oder wie sie damit umgehen würde. Alle im Haus lehnten Gretas Freund Vern ab, weil er eine lange, wenn auch bisher erfolglose Kampagne führte, um Greta zu überreden, ihren Plan, nach der Graduierung auf die Universität zu gehen, aufzugeben. Joseph hatte den strategisch klugen Entschluss gefasst, es nicht auf ein Kräftemessen mit dem jungen Mann ankommen zu lassen, und deshalb sprach niemand im Haus über seine beziehungsweise ihre Abneigung gegen Vern. Da Greta sich immer noch für sehr verliebt hielt, war es denkbar, dass sie sich Vern anvertraute, wenn sie die Wahrheit über ihre Tante Cora erfuhr. Cora hatte den Eindruck, dass Vern sehr gehässig sein konnte und dass er sie alle in große Gefahr bringen könnte.
    Und so wahrten sie ihr Geheimnis, sogar zu Hause. Sie wussten, dass sie möglicherweise einen großen Fehler machten und dass Greta schweren seelischen Schaden nehmen könnte, wenn sie zufällig dahinterkam. Andererseits wirkte sie jetzt sehr glücklich, und es gab keinen Grund zu der Annahme, dass sie es nicht bleiben könnte, wenn sie nie etwas erfuhr. Schließlich waren auch Howard und Earle mit einer Lüge aufgewachsen.
    Aber der Gerechtigkeit halber muss erwähnt werden, dass Josephs und Coras Glück darunter litt, dass sie ihr Geheimnis nicht nur vor Greta, sondern vor fast allen anderen Menschen verbergen mussten. Sie konnten zusammen einen Spaziergang machen oder ins Kino oder Theater gehen, alles, was Bruder und Schwester tun konnten. Aber sie konnten nicht Händchen halten oder einander zu oft beim Namen nennen. Tanzen wäre eventuell möglich gewesen, aber sie versuchten es nicht. Einmal beklagte sie sich bei Alan darüber, wie zermürbend das alles war.
    Es tut mir leid, hatte Alan gesagt. Es tut mir so leid.
    Das war es nicht, was sie gewollt oder was sie gemeint hatte. Alan war immer noch ihr guter Freund und jetzt auch ihr einziger Vertrauter. Sie machte ihm keine Vorwürfe. Im Gegenteil. Sie hatte ihm sagen wollen, wie gut sie seine Lage verstand.
    »Bist du schlecht gelaunt? War der Brunch nicht nett?«
    Joseph streckte eine Hand aus und strich mit seinen Fingern über ihre Wange. Sie saßen auf der Couch im Salon, wo die schweren Vorhänge das Sonnenlicht ausschlossen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der diese Nachmittage zu zweit immer damit angefangen hatten, dass sie nach oben liefen, in sein Zimmer oder in ihres. Manchmal fingen sie immer noch so an. Aber häufiger wollten sie einfach nebeneinandersitzen und reden, wobei seine Hand auf ihrem Bein, ihr Kopf an seiner Schulter ruhen durfte.
    Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. Sie war tatsächlich verstimmt, aber sie hatte versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Sie hatten nur einige wenige gemeinsame Stunden, die sie nicht damit verbringen wollte, über Winnifred Fitchs

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