Das Schmetterlingsmädchen - Roman
versetzt war.
Joseph gelang es, eine Anstellung in einer der Flugzeugfabriken zu bekommen – es war die Zeit, als Clyde Cessna und Walter Beech einfach Männer waren, die man jederzeit auf der Douglas Avenue treffen konnte, und kaum jemand erfasste, welche Bedeutung man ihnen und diesem jungen Industriezweig einmal beimessen würde. Joseph fing als Hausmeister an und behielt diesen Posten ein Jahr lang, bis jemand ihm erlaubte, sich mit einem Motor zu beschäftigen. Er hinterließ einen guten Eindruck. Als an der University of Wichita ein neues Fach, das sich Luftfahrttechnik nannte, eingeführt wurde, zahlte ihm das Unternehmen die Ausbildung. Er fing an, gut zu verdienen, und Ethel Montgomery, die eine verwitwetete Schwester in Derby hatte, fragte Cora, ob ihr Bruder »zu haben« wäre. Cora erklärte ihr, dass ihre Schwägerin Joseph auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen hatte, nie eine andere zu heiraten, und Joseph, Gott segne ihn, hatte sein Wort gegeben.
»Wie romantisch«, sagte Ethel.
»Ja«, sagte Cora, »das ist es.«
An diesem Nachmittag erzählte sie Joseph von ihrer Lüge. »Frauen haben gern Mitleid mit einem Mann«, warnte sie ihn. »Jetzt werden alle hinter dir her sein.« Er fand das sehr komisch. Da sie allein im Haus waren, küsste er sie.
Es schien, als wäre das Glück überall, wie Luft, die man atmete, ohne sich dessen bewusst zu sein. Die Aktienkurse standen hoch, der Regen fiel, wenn er gebraucht wurde, und die Zukunft schien so hell und klar wie der Sommerhimmel. Es war das Jahr 1929. Überall im Land tanzten junge Mädchen zu Jazzmusik, und noch immer brachte jedes kleinste Gerücht Louise Brooks in die Zeitschriften und Kinos.
Aber die Zeiten sollten sich bald ändern.
19
Während der schlimmsten Stürme verklebten sie die Fenster mit Klebeband und stopften mit Paraffin getränkte Decken unter jede Tür. Der Staub fand trotzdem ins Haus. Cora konnte ihn schon beim Aufwachen auf ihren Lippen schmecken. Gleich am Morgen fegte sie gründlich das ganze Haus, und drei Stunden später lag schon wieder eine Staubschicht auf dem Boden, so dick, dass sie ihre Fußabdrücke sehen konnte. Staub lag auf den Knöpfen am Radio, auf den Papieren in Alans Arbeitszimmer und dem Geschirr im Küchenschrank. Sie konnten keine Lebensmittel draußen stehen lassen. Della gab ihr Bestes, aber an schlechten Tagen, wenn der Wind so stark und staubig war, dass man nicht über die Straße schauen konnte, stellten die Busse den Betrieb ein, und sie konnte nicht kommen. Als die Schulen schlossen, blieb Greta zu Hause, und sie und Cora machten sich, mit feuchten Tüchern und Besen bewaffnet, gemeinsam an die Arbeit. Als es warm wurde, kehrten sie nicht nur Staub weg, sondern Spinnen und Tausendfüßer. Und das in ihrem Haus, ihrem geliebten Heim. Draußen brannte der Wind auf der Haut und in den Augen und ließ Farbe von Gartenzäunen abblättern.
Ihnen ging es besser als vielen anderen. Alan verdiente nach wie vor gut, und da er mit seinen Investitionen immer vorsichtig gewesen war, verloren sie beim Börsenkrach nicht viel. Joseph musste bei Stearman eine deutliche Gehaltskürzung hinnehmen, aber ab 1934, als mit dem Militär Verträge für Übungsflugzeuge abgeschlossen wurden, verdiente er wieder ein bisschen mehr. Die Farmer und ihre Familien waren es, die ein Jahr der Dürre nach dem anderen aushalten mussten und am meisten zu leiden hatten. Manchmal hatte Cora das Gefühl, Heim und Lebensgrundlage eines Farmers aus Oklahoma von ihrem Wohnzimmerboden zu fegen. Vieh verhungerte oder verdurstete, und den Menschen blieb nichts anderes übrig, als ihr Zuhause zu verlassen und sich in die Großstadt aufzumachen. An jeder Ecke der Douglas Avenue verkauften Männer Bleistifte oder Äpfel von der Heilsarmee, und mehr als einmal hatten Reisende mit abgezehrten Kindern vor Coras Hintertür gestanden und um Essen gebeten. Sie und Della machten sich dann sofort an die Arbeit und belegten Brote mit allem, was zur Verfügung stand.
Sogar einige Freunde und Nachbarn von Cora hatten Probleme, wenn auch weniger drastische. Viola Hammond und ihr Mann, der bei seinen Aktien große Verluste erlitten hatte, nahmen zwei Untermieter auf, um ihre Hypothek abzahlen zu können. Die Montgomerys verkauften ihren Cadillac und schafften sich einen Buick Standard an. Der Gartenverein schloss seine Pforten, weil mittlerweile jeder vor dem Staub kapituliert und seine Blumenbeete aufgegeben hatte. Aber viele Menschen schienen
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