Das Schmetterlingsmädchen - Roman
und schüttelte den Kopf. Louise reckte sich auf die Zehenspitzen, sodass ihre hohen Absätze über dem Boden schwebten, und legte ihre Hand auf seinen Arm.
Cora bewegte sich, so schnell sie konnte, und entschuldigte sich, als sie sich einen Weg durch die Menge bahnte, den Blick unverwandt und zornig auf den Hinterkopf des Mädchens gerichtet. Aber sie hatte erst die Hälfte des Foyers durchquert, als Louise sich umdrehte und auf sie zeigte. Der Platzanweiser sah Cora an und nickte, bevor er Louise anlächelte. Louise trat ein Stück zurück und drehte sich mit einem Lächeln wieder zu Cora um.
Sie sah aus wie ein Kind. Es war der Ausdruck auf ihrem Gesicht, die reine, unbekümmerte Freude ihres Lächelns, ohne ein Anzeichen von Eigenwilligkeit oder Zynismus, den Cora von ihr kannte. Die Leichtigkeit, mit der sie sich in ein jüngeres und dann scheinbar übergangslos wieder in ein älteres Mädchen verwandeln konnte, war verwirrend. Hatte der Platzanweiser mit seinem bisschen Autorität das kleine Mädchen in ihr zum Vorschein gebracht? Oder hatte sie den kindlichen Gesichtsausdruck wie ein bewährtes Werkzeug herausgeholt, noch bevor der Mann auch nur ein Wort gesagt hatte?
»Louise«, sagte Cora scharf.
»Cora!« Sie lächelte immer noch, aber die Härte war in ihre Augen zurückgekehrt. »Wie schön, dass Sie mich gefunden haben.« Sie sah über die Schulter und sagte etwas zu dem Platzanweiser, als Cora sie am Arm nahm. »Einen Moment lang habe ich mich wie ein Hund gefühlt, der von der Leine gelassen wird.«
»Müssen wir heimfahren?«, zischte Cora, während sie das Mädchen durchs Foyer lotste.
»Heim?« Louise sah sie aus großen Augen an. »Meinen Sie das Apartment? Oder drohen Sie wieder mit Kansas?«
»Hör auf!«
»Ich wüsste nicht, warum wir das eine oder das andere in Erwägung ziehen sollten.« Sie beugte sich vor. »Zumal mein neuer Freund gesagt hat, dass er uns in unsere Logen bringt, wenn die Lichter anfangen zu flackern.«
Cora blieb stehen und starrte sie an.
»Ich weiß.« Louise zuckte die Achseln. »Sicher nicht meine erste Wahl. Mutter sagt, dass Logenplätze für Leute sind, die im Theater gesehen werden wollen, nicht für Leute, die das Theater sehen wollen. Aber immer noch besser als die hintere Reihe im ersten Rang.«
»Louise, hast du mit diesem Mann irgendeine Vereinbarung getroffen?«
»Seien Sie nicht abgeschmackt. Ich habe ihn bloß nett gebeten. Das mögen die meisten Männer.« Cora warf ihr einen misstrauischen Blick zu. Aber sie wusste nicht recht, was sie machen sollte. Vielleicht hatte Louise wirklich nichts Unrechtes getan. Sie hatte, ohne tatsächlich ein Risiko einzugehen oder Schaden zu nehmen, bekommen, was sie wollte. Sinnlos, ihr ihr Selbstvertrauen und die unangebrachte Großzügigkeit von Platzanweisern vorzuhalten. Vielleicht war sie, Cora, diejenige mit den verdrehten Ansichten, eine alte Mrs. Grundy, die unentwegt auf der Jugend herumhackte und überall Sünde und Skandal witterte.
»Danken können Sie mir später«, sagte Louise, deren schwarze Augen leuchteten, als die Lichter zu flackern begannen. »Wenn Sie das nächste Mal in der ersten Reihe sitzen wollen, erlauben Sie mir einfach, ein bisschen Rouge aufzulegen.«
Sie war eigentlich nicht nervös, eher leicht überdreht, als hätte sie zu viel Tee oder Zucker zu sich genommen, und ihr Verstand arbeitete trotz der Mittagshitze klar und konzentriert. Fast zwanzig Minuten hatte sie im Schatten der gestreiften Markise eines Drugstores gewartet. Ihre Uhr lag zusammen mit ihren Perlenohrringen und ihrem Hochzeitsring daheim in der Wohnung, aber wenn sie sich umdrehte und durch das Fenster des Drugstores sah, konnte sie neben einem Bild der Heiligen Muttergottes und einer Werbung für Kaugummi die Uhr über dem Ladentisch sehen. Sie war einen Block vom Waisenhaus entfernt. In drei Minuten würde sie losgehen.
Am Vormittag hatte es geregnet. Sie hatte einen Regenschirm mitgenommen, als sie Louise zum Unterricht brachte, und als sie allein in ihr Apartment zurückkehrte, war ihr Haar unter dem Hut zwar mehr oder weniger trocken, aber ihre Locken, die bei Feuchtigkeit eine Art Eigenleben entwickelten, hatten sich selbstständig gemacht. Mehrere Strähnen hatten sich aus den Haarnadeln befreit und ließen ihr Spiegelbild im Badezimmer, wie Cora feststellte, ein wenig derangiert erscheinen. Sie hatte ihr Haar in Ordnung gebracht, indem sie es zu einem festeren Dutt hochsteckte, obwohl sich während der
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