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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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habe es mir geholt.«
    »Oh! Sind Sie gut im Reparieren von Sachen?«
    »Manchmal.« Wieder sah er sie an, aus Augen, die hinter den Brillengläsern klein und grün waren. Sie lächelte und berührte mit ihrer freien Hand ihre Schulter. Sie hatte ihr einziges kurzärmeliges Kleid angezogen.
    »Was wollen Sie sich denn anhören?«
    Wieder warf er ihr einen seltsamen Blick zu. Sein schütteres Haar machte ihn älter, als er war, wenigstens von Weitem. Er war ungefähr in ihrem Alter und hatte nur einige wenige Falten um die Augen. »Für die Mädchen«, sagte er und zeigte zur Decke. »Damit sie Radio hören können.«
    »Wie nett von Ihnen!«
    Warum schaute er sie so an? Sie machte bloß Konversation. Sie nahm einen Schluck Wasser. Alles war in Ordnung. Oben waren Nonnen und Kinder. Falls er sie missverstand, falls er ein schlechter Mann war, konnte sie um Hilfe rufen.
    »Sie sind nicht von hier?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin aus Kansas.« Sie machte eine Pause. »Es ist mitten im Land. Westlich vom Missouri River.«
    Er lächelte. »Ja. Ich weiß.« Er zeigte auf seinen Mund. »An der Art, wie Sie reden, habe ich gemerkt, dass Sie nicht von hier sind.«
    Sie nickte und betrachtete wieder das Radio. Das Thema Aussprache und Herkunft wollte sie nicht weiter verfolgen. »Wie sollen sich so viele Mädchen den Kopfhörer teilen?«, fragte sie. »Sie werden sich abwechseln müssen.«
    »Nein. Sie können einen Lautsprecher benutzen, wie bei einem Grammofon.« Er zeigte auf den Trichter, der auf dem Öltuch lag. »Dann können sie alle gleichzeitig zuhören.«
    »Großartig!« Sie lächelte immer noch. Es war schwer, ihr Haar zu berühren, weil sie einen Hut trug, aber sie gab ihr Bestes. »Sie haben an alles gedacht!«
    Er zuckte die Achseln und blinzelte hinter seinen Brillengläsern. »Sie sind viel netter als neulich.«
    Sie durfte nicht vergessen, weiterzulächeln. Vielleicht galt diese Art Offenheit in New York oder Deutschland nicht als unhöflich. Sie stellte ihr Glas ab.
    »Ja«, sagte sie vorsichtig. »Ich war unlängst kurz angebunden. Ich habe darüber nachgedacht, und es tut mir leid. Ich war einfach durcheinander. Sehr durcheinander.«
    Er nickte. »Schon gut.«
    »Wissen Sie, ich habe den weiten Weg von Kansas gemacht, um meine Dokumente zu bekommen. Und ich glaube, dass sie hier in diesem Gebäude sind. Aber die Schwestern sind der Meinung, dass ich sie nicht sehen soll.« Sie senkte den Kopf und hob den Blick zu ihm. »Ich finde, das sollte ich selbst entscheiden. Schließlich bin ich erwachsen, nicht wahr?« Sie schluckte, versuchte aber trotzdem zu lächeln.
    Sie hatte keine Ahnung, was er dachte. Er starrte sie ausdruckslos an. Vielleicht war er begriffsstutzig. Mit der Brille sah er wie ein Lehrer aus, aber er war nur ein Handwerker. Wie auch immer, ihr blieb nicht viel Zeit. Zu viel Nachdenken, stellte sie fest, schadete dem Selbstvertrauen.
    »Ich hatte den Eindruck, dass Sie sehr nett sind …« Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Und dass Sie vielleicht wissen, wo die Unterlagen aufbewahrt werden, und … dass Sie vielleicht verständnisvoll sind?«
    Er fuhr sich mit den Fingern über die Bartstoppeln auf seinem Kinn. Seine Augen hinter dem Drahtgestell wirkten kühl. Er zeigte auf sie und dann auf sich selbst. »Sie versuchen … Sie versuchen, verführerisch zu sein?«
    Er lächelte und kleine Fältchen bildeten sich um seine Augen.
    Ihr wurde heiß. Sie griff nach ihren Handschuhen und wich zurück.
    »Sehe ich so verzweifelt aus?« Er streckte seine Hände aus und sah an sich hinunter, auf seinen sauberen Overall, seine verschrammten Schuhe. »Wissen Sie, wenn ich eine Frau bezahlen will, damit sie nett zu mir ist, kann ich eine … Professionelle finden und riskiere nicht, meinen Job zu verlieren.«
    »Was Sie da andeuten, ist unerhört.« Sie sah ihn nicht an, als sie einen Handschuh überstreifte. Sie hatte das Gefühl, innerlich abzustürzen, tief und schwindelerregend schnell.
    Er lachte in sich hinein. »Sie finden wohl, ich sollte dankbar sein.«
    Sie würde in Ohnmacht fallen. Der Rand ihres Blickfeldes verdunkelte sich. Trotzdem drehte sie sich um und ging in Richtung Küche. Lieber auf der Straße zusammenbrechen als vor diesem schrecklichen Mann, diesem Handwerker aus dem Kaiserreich. Sie hatte die Küche beinahe erreicht, als sie spürte, wie ihre Beine unter ihr nachgaben. Sie hielt sich an einer Tischkante fest.
    »Setzen Sie sich lieber hin!« Er legte eine

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