Das Schmetterlingsmädchen - Roman
Rührei und Toast abhaben.« Sie tätschelte Louises Arm. Sie hatte nicht geahnt, dass das Mädchen wirklich hoffte, bei Denishawn aufgenommen zu werden, und dass es nicht nur ihr, sondern auch Myras Ziel war, dass Louise nicht mehr nach Wichita zurückkehrte. »Und heute kannst du dich vom Tanzen erholen«, fügte sie hinzu. »Unser erstes Wochenende. Was würdest du gern unternehmen?«
Louise runzelte die Stirn. »Unternehmen?«
»Ja. Was möchtest du heute gern machen? Ich nehme an, du würdest gern etwas mehr von der Stadt sehen als den Broadway und das Tanzstudio. Ich habe in meinem Fremdenführer nachgeschaut. Wir sind nicht allzu weit von Grants Grabstätte entfernt, die angeblich sehr eindrucksvoll sein soll. Aber wir könnten auch ins Naturhistorische Museum gehen. Und irgendwann würde ich gern die Freiheitsstatue sehen.«
Louise stöhnte. »Tut mir leid, aber ich habe wirklich kein Interesse daran, die Touristin aus dem Mittelwesten zu spielen. Können Sie das nicht alles machen, wenn ich Unterricht habe?« Sie drehte sich zu Cora um und starrte sie an. »Was machen Sie eigentlich in der Zeit?«
Cora wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Louise vom Waisenhaus zu erzählen wäre ein Fehler. Das alles war zu schmerzhaft und belastend. Spöttische Bemerkungen könnte sie nicht ertragen.
»Ich gönne mir meistens in der Wohnung ein bisschen Ruhe«, sagte Cora, »nehme ein Bad oder lese.«
Louise legte eine Hand auf ihren Rücken und bog die Schultern durch. »Klingt wundervoll. Genau das möchte ich heute machen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal so zerschlagen gefühlt habe. Wahrscheinlich gehe ich in die Wohnung zurück und döse ein bisschen. Ich muss auch noch meiner Mutter schreiben.« Sie drehte sich zu Cora um. »Und heute Abend gehen wir in diese Show. Haben Sie Karten bekommen?«
»Erste Reihe Parkett.« Cora runzelte die Stirn. »Das Theater ist draußen auf der Dreiundsechzigsten Straße. Warum ist es so weit von den anderen entfernt?«
Louise zuckte die Achseln. Sie zog ihr Glas wieder näher heran und nahm einen Schluck durch den Strohhalm. Floyd brachte Cora die Eier und den Toast und fragte sehr geschäftsmäßig, ob sie noch etwas bräuchte.
»Einen Teller, bitte. Und ein zweites Besteck.«
Er zog sich wortlos zurück, warf Louise aber im Gehen einen sehnsüchtigen Blick zu. Cora beförderte mit Messer und Gabel die Hälfte ihrer Portion auf den zweiten Teller und schob ihn Louise hin.
»Iss«, sagte sie. »Und ich kann verstehen, dass du dich heute einfach ausruhen willst. Aber was den morgigen Tag betrifft, ich habe gleich in der Nähe eine schöne presbyterianische Kirche entdeckt.« Sie lächelte. »Ich dachte, es wäre ganz nett, wenn wir zum Gottesdienst gehen.«
Falls Louise von der Idee angetan war, war nichts davon zu merken. Sie hielt eine Hand vor ihren Mund, weil sie gerade kaute. »Kirche? Ich wusste nicht, dass Sie religiös sind.«
Cora lächelte. Eine eifrige Kirchgängerin war sie wohl kaum. Sie und Alan besuchten selten einen Gottesdienst, schon gar nicht jetzt, nachdem die Jungs aus dem Haus waren. Sie hatte morgen eigentlich Louises wegen gehen wollen. Und sie selbst hatte auch nichts dagegen – nach der Woche, die hinter ihr lag, sehnte sie sich nach etwas Vertrautem, nach einem Ritual, das sie kannte und verstand.
»Eigentlich dachte ich, dass du religiös bist«, antwortete sie. »In Wichita bist du doch gern zur Sonntagsschule gegangen, oder?«
Louise legte ihre Gabel hin. Von einem Moment auf den anderen war sie wütend geworden, das war nicht zu übersehen. Die schwarzen Augen fixierten Cora. »Woher wissen Sie das?«
Cora wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Hat meine Mutter Ihnen das erzählt?«
»Nein … ich habe es irgendwo gehört.«
»Sie haben es gehört.« Louise hob ihr Kinn. »Von wem? Von wem haben Sie diesen kleinen Leckerbissen, Cora?«
»Louise, ich …«
»Von wem, Cora?«
»Ich bin mit Effie Vincent befreundet«, stammelte sie. »Ihr Mann unterrichtet in der Sonntagsschule.« Es war nur eine halbe Lüge, eine, bei der Viola nicht erwähnt wurde. Cora wollte nicht sagen, dass sie von Louises Besuch der Sonntagsschule gehört hatte, weil ihre Freundin mit der Ehefrau des Sonntagsschullehrers befreundet war. Es klang so bombastisch, als würde der Sache viel zu viel Bedeutung beigemessen. Und sie kannte Effie Vincent wirklich, eine nette Frau, die nie schlecht über andere redete. »Wir sind
Weitere Kostenlose Bücher