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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Moriarty
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Freude stieg in ihr auf, nur ganz kurz, aber irgendwie sah er es oder wusste es einfach, denn ohne ein Wort zu sagen, schob er seine Hand unter den Rand ihres Hutes und strich eine lose Locke hinter ihr Ohr. Sie rührte sich nicht, nicht einmal, als seine rauen Fingerspitzen hinter ihr Ohr und über ihren feuchten Haaransatz glitten.
    Sie konnte ihre eigenen Atemzüge hören, ihren Puls unter seinen Fingern. Seine Uhr tickte neben ihrem Hals.
    »Wie spät ist es?«, fragte sie.
    Er ließ seine Hand sinken und sah auf die Uhr. »Zwanzig vor drei.«
    »Ich muss gehen.« Ihr Stuhl schrammte über den Boden, als sie ihn zurückschob. Sie griff nach ihrer Tasche und den Handschuhen. Die Handschuhe würde sie draußen anziehen.
    Er hielt ihre Hand fest. »Geh nicht«, sagte er. »Noch nicht.«
    »Ich muss wirklich los«, sagte sie mit fester Stimme. »Ich muss gehen. Ich habe es vergessen. Ich habe es einfach vergessen. Ich bin schon spät dran.« Es stimmte. Sie durfte sich nicht verspäten und Louise auf diese Art einen Vorteil verschaffen.
    »Cora.«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie musste weg. Aber sie war immer noch erhitzt und lächelte, auch als sie ihm ihre Hand entzog. Ihr war schwindelig. So angesehen zu werden, so an der Hand gehalten zu werden war berauschend – sie war nicht sie selbst. »Ich komme wieder«, sagte sie, ein Versprechen, das sie nicht nur ihm, sondern auch sich selbst gab.
    Aber als sie draußen auf der Straße war und im hellen Sonnenlicht zur U-Bahn eilte, bekam sie wieder einen klaren Kopf.
    Sie hastete gerade den Broadway hinauf, als sie Louise kommen sah. Obwohl sie so klein war, war Louise mit ihrem glänzenden Gesicht und dem hinter die Ohren geschobenen schwarzen Haar selbst in dem Gedränge auf dem Bürgersteig leicht auszumachen. Ein Mann pfiff ihr nach, aber sie ging an ihm vorbei, als hätte sie nichts gehört, und starrte unverwandt geradeaus. Auch an Cora ging sie vorbei. Als Cora ihren Namen rief, drehte sie sich um und sah ebenso verärgert wie überrascht aus.
    »Oh! Hi.« Sie lächelte nicht. »Sie waren nicht da, und da bin ich schon mal losgegangen.«
    »Entschuldige bitte.« Cora schluckte und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. »Aber du hättest lieber auf mich warten sollen. Wenn ich dich nun nicht gesehen hätte?« In ihrer Angst, dass Louise ihre Verspätung als günstige Gelegenheit nutzen würde, um allein durch die Stadt zu zigeunern, war sie den letzten Block gelaufen. Aber natürlich war Louise nach den Tanzstunden verschwitzt und erschöpft und würde nirgendwo hingehen, bevor sie ein Bad genommen und sich kurz ausgeruht hatte.
    »Was ist los?« Sie sah Cora stirnrunzelnd an. »Sie sehen komisch aus. Ihre Wangen sind ganz rot.«
    »Oh.« Cora hielt ihr Handgelenk kurz an ihre warme Stirn. »Nun, ich wusste, dass ich spät dran war, und war bei der Hitze zu schnell unterwegs. Gehen wir heim?« Es war ein seltsames Gefühl, diejenige zu sein, die Fragen auswich und ablenkte.
    Louise ging weiter, betrachtete Cora aber noch immer. »Hoffentlich haben Sie sich nichts eingefangen.«
    Einen Moment lang war Cora gerührt, weil das Mädchen sich Sorgen um sie machte. Aber Louise fuhr fort, dass lieber jeder sein eigenes Geschirr benutzen sollte, um auf Nummer sicher zu gehen. Sie könnte es sich nicht leisten, gerade jetzt krank zu werden, bevor die Auswahl für die Truppe gemacht worden war. Cora versicherte ihr, dass sie nicht krank, sondern nur müde wäre, sagte danach aber nichts mehr. Louise erzählte von Ted Shawn, der seinen japanischen Schwerttanz vorgeführt hatte, wie toll dieser Tanz war, wie perfekt er Teds Können und seinen exzellenten Körperbau demonstrierte. Cora, die von der Hitze benommen war und nur mit halbem Ohr zuhörte, nickte. Nein, dachte sie. Sie würde Joseph Schmidt nicht wiedersehen, morgen nicht und auch an keinem anderen Tag. Sie dachte an die Hauptfigur aus Zeit der Unschuld , der sich einen kurzen Augenblick lang vergaß, als er der Gräfin den Handschuh aufknöpfte, dann aber einsah, dass mehr für ihn nicht möglich war. So war es nun einmal.
    Und gleich darauf wurde sie für ihren Entschluss belohnt. Als sie und Louise zu Hause ankamen, wartete auf Cora im Postfach ein blassgelber Umschlag mit dem Poststempel Haverhill, Massachusetts.

14
    Auf dem Weg zur Grand Central Station kaufte Cora einen Strauß gelber Rosen, was sie bis zu dem Moment, als sie die Blumen hell und leuchtend an einem Stand sah, eigentlich nicht beabsichtigt hatte.

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