Das schmutzige Spiel Kommissar
Meinen Sie allen Ernstes, Sie können mich zur Anerkennung Ihres Standpunktes bekehren?"
„Das kann ich nicht erwarten. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, und ich hoffe, daß es ein vernünftiger Vorschlag ist. Beobachten Sie in den nächsten Tagen Ihre Mutter. Mehr verlange ich nicht. Sie werden entdecken, daß sie sich verändert hat . . . daß sie nervös und aufgeregt ist, und daß sie sich vor etwas fürchtet!"
„Natürlich fürchtet sie sich! Natürlich ist sie nervös! Das ist nach dem schrecklichen Zwischenfall doch bloß verständlich. Aber diese Reaktionen brauchen sich durchaus nicht auf die Stimme eines schlechten Gewissens zu beziehen."
„Diese allgemeine Nervosität meine ich nicht. Ich spreche von der Angst, die jetzt tief in ihrem Inneren sitzt... ich spreche von den Auswirkungen, die der Mord auf eine so sensible Frau haben muß. Beobachten Sie Ihre Mutter: Sie werden rasch herausfinden, daß sich meine Angaben zu erhärten beginnen!"
„Also gut", sagte Clarissa müde, „ich werde sie beobachten."
„Sie können ruhig in London bleiben", meinte der Mann. „Ich bin überzeugt, daß Lady Clarkstone schon morgen oder übermorgen hier auftauchen wird."
„Ausgeschlossen! Warum sollte sie das tun?"
„Sie kennen die Gründe, die Ihre Mutter nach meinem Dafürhalten bis jetzt daran hinderten, nach London zu ziehen. Aber diese Gründe verblassen vor der Notwendigkeit, eine möglichst große Entfernung zwischen sich und den Tatort zu legen."
„Sie wird nicht kommen. Das wird die erste Niederlage Ihrer Theorie bedeuten!" sagte Clarissa.
Der Mann lächelte.
„Warten wir ab", erwiderte er.
*
Clarissa beobachtete, wie der Mann ausstieg und die Straße hinabging, ohne Eile, sehr selbstsicher und aufrecht. Er blickte nicht ein einziges Mal zurück. Clarissa blieb noch fünf Minuten hinter dem Lenkrad sitzen. Sie zitterte am ganzen Körper und begriff, daß sie nicht in der Lage war, den Wagen zu steuern. Sie stieg aus und lief. Schon nach den ersten zweihundert Metern fühlte sie sich todmüde und winkte ein Taxi heran. Der Wagen brachte sie nach Hause.
Wie betäubt schleppte sie sich in ihr Zimmer und warf sich angekleidet auf das Bett.
Sie hatte dem Fremden, der sich Britt zu nennen beliebte, so lange und so lebhaft widersprochen, wie ihr das möglich gewesen war. Aber jetzt fielen ihr eine Menge Dinge ein, die plötzlich ein furchtbares Gewicht erhielten und seine Anklage erdrückend logisch erscheinen ließen.
Mama hatte einen Besucher empfangen . . . und diese Tatsache geleugnet!
Clarissa sprang plötzlich auf und eilte ins Nebenzimmer, um das Rundfunkprogrammheft zu durchblättern. Sie fand ihren Verdacht bestätigt. Kein Sender hatte gestern um Mitternacht ein Hörspiel gesendet. Mama hatte also gelogen!
Wie betäubt ging Clarissa in ihr Zimmer zurück und warf sich erneut aufs Bett.
Dann war der Knopf aufgetaucht . . . ein weiterer Beweis dafür, daß sie einen Besucher bei sich gehabt hatte! Es konnte nur Raynes gewesen sein . . .
Wenn Mama aber in Abrede stellte, ihn empfangen zu haben, so war nach allem, was sich inzwischen ereignet hatte, nur eine Erklärung möglich: sie hatte ihn getötet!
Clarissa wälzte sich stöhnend auf den Bauch und preßte den schmerzenden Kopf in die weichen Daunen. Mama . . . eine Mörderin!
Das war schlimm, das war entsetzlich . . . aber es war nicht weniger schlimm, daß sie, Clarissa, gezwungen werden sollte, jenen verabscheuungswürdigen Mann zu heiraten, der im Moment die Schicksalsfäden der Clarkstones fest in seinen geschmeidigen Fingern hielt.
Ein Erpresser!
Ein Wahnsinniger . . .
Clarissa fuhr in die Höhe, als das Telefon schrillte. Sie griff nach dem Hörer des Apparates, der auf dem Nachtschränkchen stand, und führte ihn ans Ohr, ohne sich zu melden.
„Clarissa . . . bist du am Apparat, mein Kind?" ertönte die ängstliche Stimme ihrer Mutter.
Clarissa setzte sich kerzengerade auf.
„Ja, Mama."
„Warum meldest du dich nicht? Du hattest versprochen, mich anzurufen!"
„Ich bin gerade nach Hause gekommen."
„Wie . . . wie stehen die Dinge? Hast du die Unterlagen bekommen?"
„Ja."
„ Wie bist du ins Haus gekommen?"
„Ich hatte Glück. Die Tür stand offen."
„Himmel, mir fällt ein Stein vom Herzen!"
Clarissa merkte, daß Tränen in ihre Augen traten. Das Naß lief über die Wangen, ohne daß sie den leisesten Versuch unternahm, es abzutrocknen.
„Ich besuche dich morgen", sagte die Gräfin hastig. „Ich
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