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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eowyn Ivey
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der Tag, da sie anstelle von Geschenken die Fragen mitbrachte, die Jack in ihren Augen gelesen hatte. Sie erschien zeitig am Morgen, er hatte gerade gefrühstückt und war in das dämmrige Licht hinausgetreten. Wie ein Schatten folgte sie ihm über den Hof und durch den Stall.
    Als er die Stalltür schloss, umklammerten ihre kleinen kühlen Hände sein Handgelenk. Sie zog an seinem Arm, bis er sich hinabbeugte.
    Versprichst du mir was?
    Mit leiser ängstlicher Stimme.
    Und noch bevor er sich über die Bedeutung seines Versprechens im Klaren war, folgte er ihr bereits durch den Schnee. Das Mädchen lief wie aufgeschreckt, wie gehetzt, wurde jedoch langsamer, als Jack nicht mithielt. Sie führte ihn in Richtung der Berge, die Hänge empor.
    Er folgte, so gut es ging, ein keuchender, fußlahmer Tollpatsch. Ihr Schritt hingegen war unglaublich leicht und sicher. Der Weg erschien ihm viel weiter als damals, da er ihr bei Nacht durch den Wald nachgejagt war. Er spürte ihre Ungeduld. Sie verharrte nur so lange, bis er aufgeholt hatte, um sogleich wieder davonzuspurten, bevor er auch nur Atem schöpfen konnte. Bald schon achtete er nicht mehr auf den Weg – er merkte nur, dass es bergauf ging. Von dem langen, mühsamen Aufstieg zogen sich seine Wadenmuskeln zusammen, seine Lunge brannte. Der gleichmäßig graue Himmel lastete auf seinen Schultern. Er fühlte sich kraftlos und schwer. Bei jedem Kamm, den sie erreichten, dachte er: Wir sind da. Endlich sind wir da. Doch schon ging es weiter, zum nächsten Kamm, und wieder weiter. Er schleppte sich durch den tiefer werdenden Schnee, während das Mädchen geradezu darüber hinwegschwebte.
    Geht es dir nicht gut?
    Sie stand direkt über ihm.
    Wir sind fast da, sagte sie.
    Doch, sagte er. Es geht mir gut. Geh du nur vor.
    Er versuchte ein Lächeln und merkte, dass es ihm zur Grimasse geriet.
    Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste, aber ich schaffe es schon.
    Die Kleine bemühte sich sichtlich, langsamer zu gehen; sie zeigte ihm, wohin er die Füße setzen sollte und wo er einen Ast greifen konnte, um sich einen Vorsprung hinaufzuziehen.
    Dann erblickte er Felsklippen und hörte unter einer Eisdecke Wasser rieseln. Er folgte dem Mädchen die Schlucht empor. Bald waren sie von hohen Fichten umgeben, die hier oben völlig fehl am Platze wirkten. Ihre ausladenden Äste und gewaltigen Stämme verwandelten das enge Tal in einen geschützten Raum. Hier lief die Kleine allmählich langsamer, ohne sich nach ihm umzublicken. Ihr Schritt wurde zögerlicher, bis sie schließlich innehielt und auf einen verschneiten Haufen unter einem Baum deutete.
    Was ist das?
    Die Kleine antwortete nicht. Sie wies nur weiter darauf, und so trat Jack an den niedrigen Hügel heran. Er wischte den Schnee zur Seite und entdeckte eine Zeltleinwand. Wieder sah er zu dem Mädchen hin, doch sie wandte sich ab.
    Als er die Plane zurückzog, huschte ein Dutzend Wühlmäuse in den Schnee davon. Er sah den Nacken eines Mannes vor sich, einen blonden Haaransatz, den Kragen einer wollenen Holzfällerjacke. Das Blut pochte ihm in den Ohren. Er legte eine Hand gegen die breite Schulter und schob, doch es war, als wollte er einen kalten, festgefrorenen Baumstamm bewegen. Als Jack um den Leichnam herumging, bemerkte er ein Labyrinth von Wühlmausgängen, das sich in alle Richtungen durch den Schnee zog. Widerstrebend befreite er Gesicht und Kopf des Mannes vom Schnee, danach auch seine Schultern und die Brust. Der Tote lag seitlich zusammengerollt wie ein Kind, aber ein Kind war er nicht. Er war ein ausgewachsener Mann, um einiges größer und breitschultriger als Jack. Seine eingesunkenen, glasigen Augen starrten ins Leere, die Haut war totenbleich. Eiskristalle hatten Gesicht und Kleidung überzogen, wuchsen in dem blonden Haar und dem langen, dichten Bart. An den gefrorenen Wangen, der Nase, den Fingerspitzen hatten bereits die Wühler genagt, und ihr Kot fand sich überall.
    Großer Gott.
    Erst jetzt fiel Jack die Kleine wieder ein. Als er sich umwandte, stand sie direkt neben ihm und starrte auf den gefrorenen Mann hinab.
    Wer ist das?, fragte Jack.
    Mein Papa, wisperte sie.
    Was ist passiert?
    Ich habe es versucht. Ich habe es immer wieder versucht.
    In ihren Augen sammelte sich Wasser wie auf einem zugefrorenen See. Kein nasses Rinnsal, kein Schluchzen – nur ein stiller Teich auf blauem Grund.
    Ich habe ihn am Arm gezogen und gesagt: Bitte, Papa. Bitte. Aber er ist einfach nicht mitgekommen. Er hat einfach nur im

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