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Das Schneemädchen (German Edition)

Das Schneemädchen (German Edition)

Titel: Das Schneemädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eowyn Ivey
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Waschen reichen.
    Faina lächelte scheu. Alsbald saß Mabel bei ihr, säuberte ihr die Hände in lauwarmem Seifenwasser und fuhr mit einem Waschlappen über ihr Gesicht. Jack stand neben dem Ofen; die Gemütsruhe seiner Frau versetzte ihn ebenso in Verwirrung wie das Auftauchen des Kindes. Als Mabel etwas aus dem Schlafzimmer holte, ging er zu Faina hinüber, kniete sich neben ihren Stuhl und kämpfte gegen den Drang an, sie erneut zu umarmen.
    Stattdessen deutete er auf das blutige Wasser in der Schüssel und sprach in strengerem Ton, als er eigentlich wollte.
    Was hat das alles zu bedeuten? Wo bist du gewesen? Was ist mit dir passiert?
    Jack, setz ihr nicht so zu, sagte Mabel hinter ihm. Sie ist todmüde. Lass sie ausruhen.
    Faina wollte etwas sagen, doch Mabel verwehrte es ihr sanft und hielt dem Kind den Spiegel hin.
    Jetzt ist alles gut. Du bist hier, sicher und wohlbehalten. Und du siehst wunderschön aus.
    Es stimmte. Das Kind war heil und gesund und hier in ihrer Hütte. Garrett hatte das für praktisch unmöglich gehalten, und nun spürte Jack Stolz in sich aufwallen, Stolz auf Faina. Sie hatte überlebt, allen Widrigkeiten zum Trotz.
    Was meinst du?, fragte Mabel und drehte Faina zu Jack hin.
    Das Kind streckte die Arme aus und blickte auf den neuen Mantel herunter. Jack hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen: das kühle Blau eines Winterhimmels, mit Silberknöpfen, die wie Eis glitzerten, und einem weißen Fellbesatz an Kapuze, Ärmeln und Saum. Doch die wahre Pracht waren die Schneeflocken in ihren unterschiedlichen Größen und Ausführungen, die ihnen Bewegung und Leben einzuhauchen schienen, bis sie förmlich über die blaue Wolle wirbelten. Ein Kleidungsstück von eigenartiger Schönheit, die zu dem Kind passte.
    Sehr hübsch, sagte er und musste beim Anblick der Kleinen in dem Schneeflockenmantel seine Rührung hinunterschlucken. Endlich war sie wieder heimgekommen.
    Und du?, fragte er. Gefällt dir dein neuer Mantel?
    Das Kind sagte nichts, doch auf seiner Stirn zeigten sich Falten.
    Faina? Ach, liebes Kind, es ist schon gut, sagte Mabel. Wenn er dir nicht gefällt, ist es auch gut. Es ist ja nur ein Mantel.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf, nein, nein.
    Nein, wirklich. Es macht gar nichts. Wenn er dir zu eng ist, kann ich einen neuen nähen. Und wenn er zu groß ist, legen wir ihn noch ein Jahr beiseite. Mach dir darum keine Gedanken.
    Du hast das gemacht?, wisperte Faina. Du hast das hier gemacht, für mich?
    Nun, ja. Aber es ist nichts weiter als ein Stück Stoff und ein paar Stiche.
    Das Mädchen ließ die Hände über das Vorderteil gleiten, über das Geriesel der Schneeflocken, über eine nach der anderen.
    Gefällt er dir?
    Statt einer Antwort warf das Mädchen sich in Mabels Arme und schmiegte den Kopf an ihre Schulter; Jack sah die überwältigende Zuneigung in Fainas lächelndem Gesicht.
    Ich finde ihn schöner als alles andere auf der Welt, sagte sie, den Mund dicht an Mabels Arm.
    Oh, dann bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt. Mabel stand auf, nahm das Kind bei den Händen und musterte es von oben bis unten.
    Er passt gut, oder?
    Das Mädchen nickte, dann schweifte ihr Blick dorthin, wo ihr alter Mantel hing.
    Ich habe mir überlegt, Faina – vielleicht könnte ich aus deinem alten Mantel ja eine Decke für dich machen. Dann hättest du ihn trotzdem noch. Wäre dir das recht? Ich müsste ihn zerschneiden, aber die Teile könnte ich zu einer hübschen neuen Decke zusammennähen.
    Wirklich? Das könntest du? Und dann hätte ich ihn immer noch?
    Oh ja. Ganz bestimmt, ja.

    Mabel war fröhlich erregt und redete wie ein Wasserfall, während sie das Abendessen kochte; so kamen Jack und das Kind nicht dazu, von etwas anderem zu sprechen als der Freude am Zusammensein. Vielleicht hätte er sich damit begnügen sollen, hätte dankbar sein sollen und nicht noch mehr verlangen.
    Erst als das Feuer im Ofen und der Dampf aus den Kochtöpfen den Raum so aufheizten, dass das Mädchen auf ihrem Stuhl dahinzuwelken schien, erst da spürte Jack eine leise Unruhe unter der Oberfläche, etwas wie Zweifel oder Furcht in Mabels hektischer Munterkeit. Sie flitzte zur Tür und brachte eine Handvoll Schnee herein, mit dem sie dem Mädchen Wangen und Stirn betupfte.
    Schon gut, schon gut. Es ist viel zu heiß hier drin. Schon gut, schon gut.
    Jack legte den Handrücken auf die Stirn des Kindes, die sich aber kühl anfühlte.
    Sie ist sicher nur müde, Mabel.
    Doch sie hantierte weiter mit dem

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