Das schoenste Geschenk
gelassen.
»Ich bin nur vorbeigekommen, um zu sehen, wie es dir geht. Man sagt, du willst versuchen, einen Antiquitätenladen aufzumachen. Aber das ist wahrscheinlich wieder nur ein verrücktes Gerücht.«
»Es ist kein Gerücht, und verrückt ist es schon gar nicht, Carl. Ich werde tatsächlich einen Laden eröffnen.«
Er seufzte und blickte sie dann mit jenem väterlich-nachsichtigen Ausdruck an, den sie so sehr verabscheute. »Sharon, hast du überhaupt eine Vorstellung, wie schwierig, ja riskant es ist, bei der heutigen Wirtschaftslage ein Geschäft zu eröffnen?«
»Ich bin sicher, du wirst es mir gleich erzählen«, murmelte Sharon.
»Meine Liebe«, erwiderte er in ruhigem Ton. »Du bist Lehrerin mit vier Jahren Berufserfahrung. Es ist äußerst unklug, deine Karriere für eine verrückte Laune aufs Spiel zu setzen.«
»Ich habe schon immer sehr unklug gehandelt, nicht wahr, Carl?« Kühl blickte sie ihn an und fuhr schärfer als beabsichtigt fort: »Das hast du mir doch oft vorgehalten, obwohl wir angeblich unheimlich verliebt ineinander waren.«
»Aber Sharon, ich wollte dich doch nur ein wenig in deiner Impulsivität bremsen.«
»Meine Impulsivität bremsen!« Sharon reagierte auf diese Aussage mehr erstaunt als ärgerlich. »Du hast dich nicht verändert, nicht im Geringsten«, bemerkte sie. »Ich wette, du rollst deine Socken noch immer zu ordentlichen kleinen Bällen zusammen und trägst stets ein zweites Taschentuch bei dir.«
»Wenn du je den Wert praktischen Denkens schätzen gelernt hättest …«, fing er an.
»Dann hättest du mich nicht zwei Monate vor der Hochzeit sitzen lassen, was?«, unterbrach sie ihn wütend.
»Wirklich, Sharon, so darfst du es nicht sehen. Ich habe nur zu deinem Besten gehandelt.«
»Zu meinem Besten!«, brachte sie hervor. »Ich will dir mal was sagen.« Sie stieß ihm mit ihrem staubigen Zeigefinger vor die Brust. »Du kannst dir dein praktisches Denken an den Hut stecken, Carl. Und dein Scheckbuch und deine Schuhständer ebenfalls. Damals habe ich gedacht, du hättest mich verletzt. Heute weiß ich, dass du mir einen großen Gefallen getan hast. Ich hasse praktisches Denken und Zimmer, die nach Putzmittel riechen, und aufgerollte Zahnpastatuben.«
»Ich weiß nicht, was das mit unserer Diskussion zu tun hat.«
»Sehr viel!«, gab sie gereizt zurück. »Und ich werde dir noch etwas sagen: Ich bin fest entschlossen, meinen Laden aufzumachen. Und wenn ich kein Vermögen damit verdienen kann, so wird es mir wenigstens Spaß machen.«
»Spaß?« Carl schüttelte den Kopf. »Das ist keine ausreichende Basis für ein Geschäft.«
»Ich will nichts weiter als mein eigener Herr sein«, gab Sharon zurück. »Ich brauche kein sechsstelliges Einkommen, um glücklich zu sein.«
Abschätzend lächelte er sie an. »Du hast dich nicht verändert.«
Sharon riss die Haustür auf. Finster schaute sie ihn an. »Geh deine Häuser verkaufen«, sagte sie.
Mit einer Würde, um die sie ihn beneidete und die sie gleichzeitig verachtete, ging Carl an ihr vorbei.
Erst als sie die Tür hinter Carl zugeschlagen hatte, machte Sharon ihrer Wut Luft. Heftig hieb sie mit der geballten Faust gegen die Wand.
»Au!«, rief sie und presste die schmerzende Hand an den Mund. Dann drehte sie sich um. Erst jetzt sah sie, dass Victor am Fuß der Treppe stand und sie ernst anschaute. Vor Verlegenheit stieg ihr die Röte in die Wangen. »Ich hoffe, die Vorstellung hat Ihnen gefallen!«, rief sie ihm entgegen und lief in die Küche, wo sie sich geräuschvoll zu schaffen machte. Sie hatte nicht gemerkt, dass Victor hinter ihr hergekommen war. Als er sie behutsam bei der Schulter fasste, wirbelte sie wütend herum.
»Zeigen Sie mir Ihre Hand«, sagte er ruhig.
»Meiner Hand fehlt gar nichts!«, wehrte sie ab.
Mit leichtem Druck presste er seine Finger auf ihre Knöchel. Vor Schmerz hielt Sharon den Atem an. »Es ist Ihnen zum Glück nicht gelungen, sich die Hand zu brechen«, sagte er. »Aber Sie werden einen dicken Bluterguss bekommen.«
»Sie brauchen gar nichts zu sagen«, fuhr Sharon ihn an. »Ich weiß selbst, dass ich mich lächerlich gemacht habe.«
Victor untersuchte noch immer ihre Finger. »Entschuldigen Sie«, sagte er schließlich. »Ich hätte mich bemerkbar machen sollen.«
Sharon atmete tief ein. Dann entzog sie ihm ihre Hand. »Es macht nichts«, sagte sie leise und ging zum Herd, um Teewasser aufzusetzen.
Er betrachtete sie. »Es macht mir keinen Spaß, Sie in Verlegenheit
Weitere Kostenlose Bücher