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Das schoenste Geschenk

Das schoenste Geschenk

Titel: Das schoenste Geschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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getan, dass er sie so wütend angeschaut hatte? Wie war es möglich, dass er sie in der einen Minute leidenschaftlich küsste und in der nächsten abrupt von sich stieß? Traurig blickte sie vor sich hin. Sie hatte schon immer dazu geneigt, sich etwas vorzumachen.
    Aber vielleicht ließen sich ihre Bedürfnisse gar nicht erfüllen. Sie wollte ihre Unabhängigkeit behalten und gleichzeitig ihre romantischen Träume mit einem Mann teilen. Sie wollte für sich selbst verantwortlich sein, aber sich an einer starken Hand festhalten können.
    Sharon hatte in der ersten Sekunde gespürt, dass Victor anders war als alle Männer, die sie bisher kannte. Als sie ihn in Donnas Geschäft zum ersten Mal sah, spürte sie: Das ist er.
    Plötzlich erschrak sie. Hatte sie ihn etwa beleidigt? Schließlich arbeitete er für sie. Nach dem Kuss dachte er vielleicht, dass sie mehr für ihr Geld wollte als nur die Renovierung ihres Hauses. Bei diesem Gedanken musste sie lachen. Nein, sie war nicht der Typ, der Männer verführte. Und es fiel ihm bestimmt nicht schwer, einer Frau zu widerstehen, deren Gesicht dreckverschmiert war und die vor Wut mit den Fäusten die Wände attackierte. Nein, ihre Fantasie war wohl mit ihr durchgegangen. Seufzend stand sie auf, um ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

4. K APITEL
    Victor konnte nicht schlafen. Er hatte bis spät in die Nacht hinein gearbeitet, in der Hoffnung, darüber seine Wut und sein Verlangen zu vergessen. Mit der Wut konnte er leben. Er kannte dieses Gefühl zu gut, als dass es ihm den Schlaf rauben konnte. Auch dass er eine Frau begehrte, war nichts Neues für ihn. Aber dass dieses Begehren einer kleinen romantischen Geschichtslehrerin galt, störte und beunruhigte ihn.
    Verärgert stand er auf und ging auf die Veranda hinaus. Wenn er geradeausschaute, konnte er den Waldrand sehen. Auf der anderen Seite des dunklen, geheimnisvollen Dickichts schlief Sharon in ihrem alten Bett in dem kleinen Zimmer mit verblichenen Tapeten. Ihr Fenster würde geöffnet sein, um die Düfte und die Geräusche der Nacht hereinzulassen.
    Er fluchte leise. Wie konnte er nur solch albernen Gedanken nachhängen! Nein, er hätte diesen Job niemals annehmen dürfen. Ihr Angebot hatte ihn belustigt und gereizt. Sechs Dollar die Stunde! Er lachte kurz auf. Wann hatte er zum letzten Mal für einen Stundenlohn gearbeitet? Er versuchte sich zu erinnern. Vor fünfzehn Jahren? War die Zeit so schnell vergangen?
    Er war damals noch ein Teenager gewesen und arbeitete in der Baufirma seiner Mutter. »Du musst das Handwerk von der Pike auf lernen«, hatte sie zu ihm gesagt, und er stimmte eifrig zu. Holz zu bearbeiten faszinierte ihn schon immer. Er hatte keine Lust gehabt, in Konferenzen zu sitzen und Papierkram zu erledigen.
    Doch es war ihm keine Wahl geblieben. Seine Mutter erlitt ganz plötzlich einen Herzinfarkt und erholte sich davon nie wieder vollständig. Sie hatte ihn angefleht, die Leitung der Firma Riverton zu übernehmen. Als Witwe mit nur einem Kind war es ihr größter Wunsch gewesen, die Firma, die sie geerbt hatte, ihrem Sohn zu übergeben. Er konnte ihr die Bitte nicht abschlagen.
    Wenn es sich erwiesen hätte, dass er nicht zum Manager taugte, hätte er einen anderen zum Generaldirektor bestellt und sich aus der Geschäftsführung zurückgezogen. Doch unter seiner Leitung war die Firma Riverton zu einem riesigen Unternehmen herangewachsen. Und dann war ihm Amelia begegnet. Er verzog die Lippen zu einem zynischen Lächeln. Die sanfte, verführerische Amelia mit ihrem roten Haar und dem weichen Akzent der Südstaaten. Monatelang hielt sie ihn hin, bis er fast verrückt vor Begehren gewesen war.
    Denn wenn er bei Sinnen gewesen wäre, hätte er sie durchschaut, bevor er ihr den Ring an den Finger gesteckt hatte …
    Amelia hatte Victors Geld mit vollen Händen ausgegeben, hatte sich Kleider, Pelze und Autos gekauft. Zunächst störte ihn das nicht, im Gegenteil. Er war der Ansicht gewesen, dass ihre überirdische Schönheit nach Luxus verlangte. Und er liebte sie – oder jedenfalls die Frau, als die er sie sah. Es hatte ihm Freude gemacht, sie mit Luxusgütern zu überhäufen, und er bezahlte die Rechnungen stillschweigend, die ununterbrochen ins Haus flatterten. Ein- oder zweimal ermahnte er sie liebevoll, als die Beträge ihm zu hoch erschienen. Wie schrecklich zerknirscht war sie gewesen, und mit welch hinreißendem Charme hatte sie sich bei ihm entschuldigt. Es war ihm kaum aufgefallen, dass weiterhin

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