Das schoenste Geschenk
übermäßig hohe Rechnungen ins Haus kamen.
Dann bemerkte er, dass sie sein Bankkonto plünderte, um die kränkelnde Baufirma ihres Bruders zu unterstützen. Tränenreich reagierte sie auf seine Vorwürfe, liebevoll bat sie um Fürbitte für ihren Bruder. Ihrem Argument, nicht im Luxus leben zu können, während ihr Bruder bankrottging, konnte er nichts entgegensetzen.
Weil ihn ihr Mitgefühl für ihren Bruder gerührt hatte, bot er ihm ein Darlehen an, weigerte sich jedoch, Geld in eine schlecht geführte kleine Firma zu pumpen. Amelia hatte geschmeichelt und geschmollt. Als sie jedoch merkte, dass er sich nicht erweichen ließ, griff sie ihn an wie eine Raubkatze. Mit ihren lackierten Fingernägeln zerkratzte sie ihm das Gesicht, und in ihrer Wut warf sie ihm an den Kopf, warum sie ihn geheiratet hatte. Nicht aus Liebe, sondern nur seines Geldes und seiner Position wegen, und weil sie sich durch die Ehe mit ihm Hilfe für die kleine Firma ihrer Familie versprochen hatte. Erst da begriff Victor, was sich hinter der Fassade der sanften kleinen Verführerin verbarg. Es war der erste Schock einer langen Reihe von Schrecken und Enttäuschungen gewesen.
Über zwei Jahre bemühte sich Victor, seine Ehe zu retten. Doch dann sah er ein, dass die Frau, die er geheiratet hatte, ein Trugbild gewesen war.
Schließlich schlug er ihr die Scheidung vor. Mit höhnischem Lachen hatte Amelia zugestimmt. Wenn er ihr die Hälfte seines Vermögens und seiner Firma überschrieb, würde sie ihm sofort seine Freiheit zurückgeben. Aber nicht ohne eine aufsehenerregende Gerichtsverhandlung und viel Publicity.
Da diese Bedingungen unannehmbar für ihn gewesen waren, lebte Victor ein weiteres Jahr mit ihr zusammen. Als er entdeckte, dass Amelia sich Liebhaber nahm, tat es ihm nicht weh. Seine Gefühle für sie waren längst abgestorben. Langsam und diskret begann er, Beweise gegen sie zu sammeln, die ihm seine Freiheit zurückgeben konnten. Um sich selbst und seine Firma vor ihrem Zugriff zu bewahren, war er sogar willens gewesen, den Kampf vor Gericht unter den Augen der Öffentlichkeit auszutragen. Doch so weit war es nicht gekommen. Einer ihrer enttäuschten Liebhaber hatte ihr eine Kugel durch den Kopf geschossen und ihrem Leben ein Ende gesetzt.
Victor hatte auf ihren Tod nicht mit Trauer reagieren können, sondern eher Erleichterung empfunden. Das jedoch hatte ihm Schuldgefühle verursacht, die er mit Arbeit zu betäuben versuchte. Frieden jedoch hatte er nicht gefunden.
Schließlich beschloss er, sich das heruntergekommene Haus in den Bergen zu kaufen, und übertrug die Geschäfte auf unbestimmte Zeit seinem Geschäftsführer. Er sehnte sich nach Einsamkeit, nach der handwerklichen Arbeit, die er liebte. Und jetzt, wo er schon geglaubt hatte, den richtigen Entschluss gefasst zu haben, war ihm Sharon Abbott begegnet.
Sie war keine Schönheit wie Amelia, keine der eleganten, weltgewandten Frauen, mit denen er nach Amelias Tod geschlafen hatte. Sharon war frisch und vital. Instinktiv fühlte er sich von ihrer Großherzigkeit angezogen. Doch das Vermächtnis, das seine erste Frau ihm hinterlassen hatte, bestand aus Zynismus und Misstrauen. Victor wusste, dass nur ein Narr sich zweimal von der Maske der Unschuld täuschen lässt. Und er war kein Narr.
Nachdenklich ging er zurück ins Haus. Nein, er würde sich nicht von einer Frau den Schlaf rauben lassen. Trotzdem warf er sich die ganze Nacht unruhig im Bett hin und her.
Es war ein wunderbarer Morgen. Als Sharon die Fenster aufstieß, strahlte der Himmel in einem tiefen Blau, die Vögel zwitscherten, die Luft war warm, und es duftete nach Blumen. An solch einem Tag konnte sie unmöglich im Haus arbeiten.
Sie zog sich ein altes T-Shirt und ausgeblichene rote Shorts an und ging in den Keller, wo sie tatsächlich einen Eimer mit weißer Farbe und einen Pinsel fand.
Um die vordere Veranda zu reparieren, reichten ihre Talente nicht aus. Doch die hintere war noch ziemlich stabil. Nach zwei neuen Anstrichen würde sie wieder freundlich und einladend aussehen. Sharon holte sich ihr Kofferradio und ging dann mit ihren Utensilien nach draußen. Nachdem sie einen Sender gefunden hatte, der ihr zusagte, stellte sie das Gerät auf volle Lautstärke und begann mit den Vorbereitungen.
Eine halbe Stunde später hatte sie die Veranda gefegt und mit dem Gartenschlauch abgespritzt. Während die Holzplanken in der warmen Sonne trockneten, öffnete sie den Farbeimer, um sorgfältig den weißen
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