Das schoenste Geschenk
er nicht auch mit einer Filiale in Hagerstown Erfolg haben?
Er konnte sich mit der Frau, die er liebte, niederlassen, wo es ihm gefiel und trotzdem seine Firma leiten. Und wenn er die Filiale vor seinen Direktoren rechtfertigen musste, dann würde er darauf hinweisen, dass Hagerstown die größte Stadt in Maryland war, die außerdem ziemlich zentral zu den angrenzenden Staaten Pennsylvania und West Virginia lag.
Er stand auf und zog sich wieder seinen Mantel an. Jetzt musste er nur noch mit Sharon sprechen. Wie schon so oft versuchte er, sich ihre Reaktion vorzustellen. Etwas besorgt trat er in die kalte klare Winternacht hinaus.
Aber musste er sich denn Vorwürfe machen? Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte er keine Veranlassung gehabt, ihr von seiner wahren Existenz zu erzählen.
Schließlich war er nach Sharpsburg gekommen, um für eine Weile genau das zu sein, als was sie ihn kennengelernt hatte: ein einfacher Schreiner. Hätte er denn ahnen können, dass sie der wichtigste Teil seines Lebens werden würde? Hätte er sich träumen lassen, dass er schon kurze Zeit nach ihrer ersten Begegnung nur noch das eine Ziel hatte, ihr einen Heiratsantrag zu machen?
Wenn er ihr die Umstände erst einmal erklärt hatte, würde sie ihn schon verstehen. Außerdem liebte sie ihn. Das wusste er mit absoluter Sicherheit.
Sharon von Amelia zu erzählen würde schwieriger sein. Er musste es aber tun, er durfte nichts vor ihr verbergen. Das Wissen, dass sie ihm vertraute, gab ihm die Kraft dazu. Er hatte ihr so viel zu sagen. Heute Abend würde er die Geister der Vergangenheit vertreiben. Und dann konnte er Sharon endlich bitten, eine gemeinsame Zukunft mit ihm aufzubauen.
Trotz all dieser Überlegungen wurde Victor von einer gewissen Unruhe ergriffen, als er in Sharons Haus kein Licht brennen sah. Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte. Sie musste zu Hause sein. Aber warum war dann jedes Fenster dunkel? Auf einmal hatte er schreckliche Angst um sie.
Die Hintertür war nicht verschlossen. Victor stieß sie auf und rief laut nach Sharon. Doch alles blieb dunkel und still. Er schaltete das Licht in den Ladenräumen an, um sich zu vergewissern, dass noch alles an Ort und Stelle stand. Dann ging Victor durch alle Räume im Untergeschoss.
»Sharon?«, rief er leise.
Die Stille beunruhigte ihn. Nachdem er Sharon in den unteren Räumen nicht hatte finden können, stieg er die Treppe in den zweiten Stock hinauf.
In der Küche roch es nach Essen. Doch auch dort war Sharon nicht. Abwesend stellte Victor den Herd ab und ging in den Flur zurück. Da kam ihm der Gedanke, dass sie sich vielleicht ein wenig hingelegt hatte und dann aus Versehen eingeschlafen war. Plötzlich wich seine Besorgnis leiser Belustigung.
Auf Zehenspitzen ging Victor in ihr Schlafzimmer. Obwohl kein Licht brannte, konnte er Sharon im silbrigen Mondlicht deutlich erkennen.
Sie schlief nicht, sondern hatte sich auf dem Stuhl zusammengekauert und ihr Gesicht auf die Armlehne gelegt. Noch nie hatte Victor sie so gesehen. Aller Glanz war aus ihren Augen gewichen, und ihr Gesicht war kreidebleich. Sie wirkte völlig apathisch.
Mit wenigen Schritten war er bei ihr. Doch Sharon reagierte nicht auf ihn. Victor wusste nicht einmal, ob sie ihn überhaupt gesehen hatte. Er kniete sich vor sie hin und nahm ihre kalten Finger in seine Hände.
»Sharon?«, sagte er leise.
Sekundenlang starrte sie ihn abwesend an. Dann, als sei ein Damm gebrochen, flackerten auf einmal Schmerz und Verzweiflung in ihrem Blick auf. »Victor«, sagte sie mit erstickter Stimme und schlang die Arme um seinen Hals. »Oh Victor.«
Sharon zitterte am ganzen Körper. Doch sie weinte nicht. Das Gesicht an seine Schulter gepresst, klammerte sie sich an ihn, während sie langsam aus ihrer Erstarrung erwachte. Erst als sie die Wärme spürte, die von ihm ausging, merkte sie, wie kalt ihr war. Ohne ihr eine einzige Frage zu stellen, hielt Victor sie in seinen Armen, um ihr Kraft und Zärtlichkeit zu spenden.
»Victor, ich bin ja so froh, dass du bei mir bist«, flüsterte sie. »Ich brauche dich.«
Ihre Worte bedeuteten ihm unendlich viel. Bis zu diesem Moment war er sich nur zu deutlich der Tatsache bewusst gewesen, dass sie viel mehr für ihn tat als er für sie. Jetzt endlich konnte er ihr einmal helfen. Und wenn er ihr nur zuhörte.
»Was ist passiert, Sharon?« Liebevoll schaute er ihr in die Augen. »Kannst du es mir sagen?«
Sie schöpfte tief Atem.
Offenbar kostete sie
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