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Das schoenste Geschenk

Das schoenste Geschenk

Titel: Das schoenste Geschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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das Sprechen größte Anstrengung. »Meine Mutter«, flüsterte sie.
    Mit den Fingerspitzen strich er ihr das zerzauste Haar aus dem Gesicht.
    »Ist sie krank?«
    »Nein!« Sie hatte das Wort mit wütender Verachtung hervorgestoßen. Ihre heftige Antwort überraschte ihn, doch das ließ er sich nicht anmerken. Ruhig nahm er wieder ihre Hände.
    »Erzähl mir, was passiert ist«, forderte er sie auf.
    »Sie war vorhin hier.«
    »Deine Mutter war hier?«, fragte er ungläubig.
    »Kurz vor Ladenschluss. Ich hatte sie nicht erwartet … Sie ist weder zu Großmutters Begräbnis gekommen noch hat sie meinen Brief beantwortet.«
    »Dies ist das erste Mal seit dem Tod deiner Großmutter, dass sie hier war?«, fragte er ruhig.
    Sharon schaute ihn an. »Ich hatte Anne über zwei Jahre nicht gesehen«, sagte sie mit ausdrucksloser Stimme. »Seit sie ihren Agenten heiratete. Jetzt sind sie geschieden, deshalb kam sie zurück.« Sie schüttelte den Kopf und holte tief Luft. »Und ich hatte schon geglaubt, dass sie Großmutter liebte. Ich hoffte, mich endlich einmal mit ihr verständigen zu können.«
    Sie schloss die Augen. »Die Tränen und die Trauer … es war alles nur Theater. Sie hat hier gesessen und mich angefleht, ich möge sie doch verstehen. Und ich habe ihr geglaubt. Sie ist nicht wegen Großmutter oder mir gekommen.«
    Als Sharon die Augen wieder öffnete und ihn ansah, war ihr Blick matt und glanzlos.
    Es kostete Victor einige Mühe, die Ruhe zu bewahren. »Warum ist sie gekommen, Sharon?«
    »Geld«, sagte sie verächtlich. »Sie dachte, es gäbe hier etwas zu holen. Sie war wütend, dass Großmutter alles mir hinterlassen hat, und wollte nicht glauben, dass ich kaum Bargeld besitze. Ich hätte es wissen sollen!«, fügte sie erregt hinzu. »Ich hoffte nur, dass sie Großmutter wenigstens ein bisschen lieb hat, aber … als sie in mein Zimmer rannte und meinen Schreibtisch durchwühlte, habe ich schreckliche Dinge zu ihr gesagt. Es tut mir nicht einmal leid. Ich habe ihr die Hälfte meiner Ersparnisse gegeben und sie aus dem Haus gewiesen.«
    »Du hast ihr Geld gegeben?«, unterbrach Victor sie ungläubig.
    Traurig schaute Sharon ihn an. »Großmutter hätte es auch getan. Sie ist schließlich meine Mutter.«
    Zorn und Verachtung packten ihn. Doch er beherrschte sich. »Sie ist nicht deine Mutter, Sharon«, sagte er sachlich. Als sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, schüttelte er den Kopf und fuhr fort: »Biologisch gesehen, ja. Aber du bist doch intelligent genug, um zu wissen, dass das nicht unbedingt etwas zu bedeuten hat. Wo war sie denn, als du ein Kind warst? Sie hat sich nie um dich gekümmert, Sharon.«
    Er sah ihr an, dass er sie mit dieser Bemerkung verletzt hatte. Liebevoll drückte er ihre Hand. »Entschuldige, ich wollte dir nicht wehtun.«
    »Nein, du hast ja recht«, seufzte sie. »Ehrlich gesagt denke ich so gut wie nie an sie. Wenn ich ihr überhaupt Gefühle entgegenbringe, dann nur, weil Großmutter sie liebte. Und doch …«
    »Du belastest dich mit Schuldgefühlen«, versuchte er sie zu beruhigen. »Deine Großmutter hat ihr vielleicht Geld gegeben, weil sie sich für sie verantwortlich fühlte. Aber wem hat sie alles hinterlassen, was ihr lieb und teuer war?«
    »Ja, ja, ich weiß. Aber …«
    »Welche Bedeutung hat das Wort Mutter für dich, Sharon? An wen denkst du, wenn du dieses Wort hörst?«
    Sharon blickte ihn an. Diesmal unterdrückte sie ihre Tränen nicht. Traurig legte sie den Kopf an seine Schulter. »Ich habe ihr gesagt, dass ich sie nicht liebe. Und das ist die Wahrheit, aber …«
    »Du schuldest ihr gar nichts.« Er zog sie an sich. »Ich weiß, was Schuldgefühle sind, Sharon. Sie können dich zerstören, und das werde ich nicht zulassen.«
    »Ich habe ihr gesagt, sie soll mich nicht mehr belästigen. Aber daran wird sie sich bestimmt nicht halten.«
    Victor schwieg einen Moment. »Willst du wirklich nichts mehr mit ihr zu tun haben, Sharon?«
    »Nein, ich möchte sie nie wieder sehen.«
    Er küsste sie behutsam auf die Schläfen und hob sie aus ihrem Stuhl. »Komm, du bist erschöpft. Leg dich ein wenig hin.«
    »Nein, ich bin nicht müde«, log sie, obwohl ihr bereits die Augenlider schwer wurden. »Ich habe nur Kopfschmerzen. Und das Abendessen …«
    »Keine Sorge, ich habe den Herd abgeschaltet«, erklärte Victor, während er Sharon ins Bett trug. »Wir werden später essen.« Er schlug die Bettdecke zurück und legte sie auf das kühle Laken. »Ich hole dir eine

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