Das schönste Wort der Welt
Kaninchen zusammenzog, und an dieses lästige Geräusch.
Aska legte ihre Hand
auf die von Diego und sagte, er sei ihr Freund, sie wünschten sich ein Kind,
doch sie könne keinen Geschlechtsverkehr haben.
»Ich habe
Muskelkrämpfe, die mir das unmöglich machen.«
Gojko senkte den Kopf
fast bis zum Boden, er lachte sich tot, der Mistkerl. Auch ich spürte wieder
das Aufzucken unserer gemeinsamen Jugend, aus der Zeit, als wir noch verrückt
und frei waren. Der Arzt kümmerte sich nicht um unsere Überdrehtheit. Er
verordnete ihr all die Untersuchungen, ließ sich hundert Deutsche Mark im
Voraus aushändigen und gab uns einen Termin in der nächsten Woche.
Aska schwänzelte
hinaus, und bevor sie wieder ihre Superstar-Sonnenbrille aufsetzte, zwinkerte
sie mir zu.
Wir warten unweit der
Musikschule in einer abseits gelegenen Bar auf sie, denn sie will nicht von
ihren Freunden gesehen werden, sie bewegt den Mund wie einen Schnabel und macht quak, quak , sagt, Die reden zu viel , sie wolle aber niemandem was erklären.
Sie scheint sich mehr denn je zu freuen, uns zu sehen, lacht und bezichtigt uns
beide, wie penetrante Eltern zu sein. Ich drücke meine Hände zusammen und lasse
die Knöchel knacken, eigentlich bin ich diejenige, die Angst hat. Diego ist
ruhig, zu ruhig. Er scheint nur zu Besuch zu sein.
»Wir wollen dich
besser kennenlernen.«
Aska schnaubt und
sagt So ein
Blödsinn, die Menschen kennen sich nie wirklich, nicht mal Ehepaare.
Jeder
hat eine verborgene Seite …
»Kennt ihr zwei euch
etwa?«
Diego lächelt, sie
sehen sich an, und ich habe den Eindruck, dass sie sich augenblicklich
verstehen.
Das Lamm hat
umherschweifende, immer etwas müde Augen, die sich hochziehen wie nasse Flügel,
flattern und sich auch wie nasse Flügel wieder herabsenken, doch wenn sie dich
streifen, hinterlassen sie eine Spur, den Schmerz der Schönheit. Ich betrachte
ihre vom Trompetespielen aufgesprungenen Lippen, die sie sich unentwegt leckt,
ihren Busen und ihre Arme, das wenige von ihrem Körper, das ich unter ihrer
Kleidung erkennen kann, unter ihrer Verkleidung im Look modernen Unglücks.
Lächerlicher Punk im Sarajevo-Verschnitt. Dass sie sich so verschandelt, ist
mir egal, sie ist nicht meine Tochter, und sie hat recht, sie wird nie meine
Freundin sein. Sie schminkt sich das Gesicht kalkweiß und die Lippen dunkel,
böse.
Sie wird nach London
gehen und nichts aus ihrem Leben machen, wird sich in den Straßen und im Lärm
der Klubs verschleißen. Ihr Schicksal interessiert mich nicht, mich interessiert
ihre unmittelbare Zukunft. Mich interessiert ihr Körper. Sie witzelt mit Diego
herum, und ich lasse die zwei über Musik plaudern. Sie ist schön, und trotz der
Kalkschicht sprüht sie vor Gesundheit. Ich lächle wie eine liebenswürdige
Mutter.
»Du willst also weg?«
Sie kaut. Jedes Mal,
wenn wir uns treffen, stopft sie sich voll, bestellt Brötchen und Kuchen, jedes
Mal sagt sie, sie habe seit dem Morgen noch nichts gegessen. Sie sagt, allzu lange
könne man nicht Musik machen, wenn man wirklich Musik macht, weil die Musik dir
Ratten auf den Hals hetzt, weil sie dich auffrisst.
Madonna und Michael
Jackson findet sie widerlich.
Sie redet über Janis
Joplin. Ihr Gesicht verdüstert sich, verändert sich schlagartig. Sie isst nicht
mehr, starrt vor sich hin.
»Manchmal zeigt Gott
vom Himmel aus mit dem Finger auf jemanden und sagt Du da, komm . Gott kann man nichts abschlagen. Er
zieht in deinen Körper ein und zerreißt dir die Seele. Um Gott auszuhalten, hat
Janis Drogen genommen.«
Ich frage sie, ob sie
Drogen nehme, ob sie mal welche genommen habe.
Sie sieht mich
hasserfüllt an. Sagt nein und steht auf, sagt, die Sitzung sei zu Ende.
Wir schlendern über
die Ziegenbrücke.
Sie erzählt mir von
ihrer Mutter, die vor knapp einem Monat gestorben sei, weil sie nicht ihren Weg
gegangen sei, sie sagt, die Menschen werden krank, wenn sie nicht ihren Weg
gehen.
»Gestern Abend bin
ich bei Smells
Like Teen Spirit von Nirvana eingeschlafen.«
Sie lacht und sagt,
es sei praktisch unmöglich, bei diesem Song einzuschlafen, doch sie sei in
einen bleiernen Schlaf gefallen. Sie habe geträumt, sie sei nackt und schwanger
durch die Tito-Allee gelaufen, sie war todmüde, der Bauch war schwer, und sie
verstand nicht, weshalb sie immer weiterging, statt sich hinzusetzen. Dann sah
sie Panzer auf sich zurollen. Sie wusste, dass sie von ihnen niedergewalzt
werden würde, doch sie ging weiter, als wäre das die einzige
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