Das schönste Wort der Welt
Ich hatte meine Knie zwischen den Armen und den Kopf an der
Wand.
Es ging mir gut, ich
hatte auch ein paar Züge genommen und spürte einige leichte Schauer, trockene
Grashalme, die sich sacht bewegten.
Es war nun mal so
gelaufen. Wir würden uns von unserer kleinen Freundin aus Sarajevo verabschieden,
doch die fünftausend aus dem Fenster geworfenen Mark waren diesen Abend wert.
Ich war mittlerweile an Niederlagen gewöhnt, an die Schläge ins Wasser, immer
dieselben, in immer denselben Tümpel. Es war ein sanft schwingender Abend. Ein
Abschied, von dem ich wusste, wie er schmeckte. Aska hörte auf zu spielen und
schüttelte die Trompete aus, ein bisschen Speichel kam heraus. Sie spendierte
noch eine Runde Milch mit Kakaopulver. Dann nahm sie die Sicherheitsnadel aus
dem Ohr und spielte damit herum.
»Warum ziehst du dich
so an?«
»Angefangen habe ich
damit, um meinen Vater zu ärgern.«
Sie erzählt, dass ihr
Vater das Gebet in der Moschee ihres Dorfes leite, jahrelang haben sie sich
gestritten, doch als ihre Mutter starb, haben sie Frieden geschlossen.
»Meine Mutter ist
auch tot.«
Ich werde trübsinnig.
Diego trägt heute den Pullover, den sie ihm geschenkt hatte, ich denke an
diesen Tag zurück, an ihre schüchternen Augen, unentschlossen in allem, wie
immer. Ich denke, dass ich ihr ähnlicher bin, als mir jemals bewusst war.
Diego nimmt meine
Hand und küsst sie.
»Woran denkst du,
mein Schatz?«
»An nichts, an meine
Mutter.«
Ja, ich denke an sie,
an eine verhuschte Frau, die nicht viel vom Leben hatte.
Aska fragt: »Konnte
sie auch keine Kinder kriegen?«
Ich lache, wie ich
noch nie gelacht habe. Dabei entblöße ich meine Zähne und meine ganze
Traurigkeit.
»Ich bin doch
geboren.«
Aska kichert: »Ach
so, ja, wie blöd von mir.«
Der Joint tut seine
Wirkung. Doch
vielleicht ,
denke ich, hat sie
ja recht, und ich bin gar nicht geboren. Ich bin nur der Schatten meiner
Wünsche.
Wieder fällt mir
diese Erzählung ein, dieses Ballerina-Lämmchen, das tanzt, um nicht zu sterben.
Aus den Bergen wird
geschossen. Wir sehen aus dem kleinen Doppelfenster, das Aska festhält, weil
der Haken kaputt ist. Die Luft ist kalt, wir können nicht genau ausmachen,
woher die Schüsse kommen.
Aska scheint nicht
beunruhigt zu sein.
»Das passiert seit
einer Weile fast jede Nacht, Idioten, die sich einen Spaß erlauben, dumme
Jungs.«
Wir gehen in die
Küche, sie und ich, um Wasser aufzusetzen. Sie sagt es mir, während sie
versucht, die blaue Gasflamme in Gang zu halten.
»Wenn du willst,
können wir es auch auf natürlichem Weg machen.«
Sie erzählt, sie habe
ihre Menstruation gerade hinter sich und sei in etwa zehn Tagen zur Paarung
bereit. Sie sagt wirklich Paarung .
Ich lache, sie spielt mit ihrer Sicherheitsnadel. Sagt, für sie sei diese
Paarung kein Problem. Ich muss an Karnickel auf einem Feld denken, an dieses
Rammeln. Mein Gesicht steht in Flammen, ich bin fahrig vor Freude, vor einem
kleinen, ungehörigen Überschwang.
»Aber für mich könnte
es ein Problem sein.«
Doch ich weiß schon,
dass das nicht stimmt, dass es überhaupt kein Problem ist, ich betrachte ihr
Rostrot und habe den Graben der Anrüchigkeit bereits übersprungen. Schon den
ganzen Abend sitzt mir etwas im Bauch. Wie vorhin, als ich einen Blick ins
Schlafzimmer warf, auf das schmale Bett, dachte ich Was ist denn schon dabei, noch ein Joint und
… Ich bleibe hier auf der Bank und sie da drüben, unter dem Janis-Joplin-Poster
… Wir gehen doch alle allein nach Hause, Aska, jeder von uns, im Innersten
unserer kleinen Körper, geboren, um nicht zu dauern.
Sie redet immer noch.
Sagt, Sex interessiere sie nicht, sie finde ihn überflüssig. Wie alles, was zu
weich und zu nass sei. Sagt, ich könne dabeisein, wenn ich wollte.
»Wie beim Arzt.« Sie
lacht.
Ich bedanke mich. » Hvala .«
Ihr entgeht die
Ironie. Sie antwortet Bitte .
Dann wiederholt sie: » Za mene parenje nije problem «, für mich ist die Paarung kein Problem.
Ich ließ zu, dass mir
dieser Satz in die Brust glitt, ging zurück und setzte mich auf die Bank, ich
wartete, dass er seine Wirkung bis ins Letzte entfaltete. Bis in den Bauch
hinein.
Diego sah uns an, er
spürte etwas, das Gären einer Vertraulichkeit.
»Was habt ihr denn?«
»Ništa«, nichts.
Ich bat ihn, noch
einen Joint zu drehen, ich wollte nur noch lachen, wollte alles in einem
langen, trägen Gelächter auflösen. Ja, weg von den Sprechzimmern, weg von den
Injektionen, weg von den
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