Das schönste Wort der Welt
das eben.«
»Hast du dich denn
nie nach einem Kind gesehnt?«
Sie könnte mich
anlügen, sie ist an Zurückhaltung und Einsamkeit gewöhnt. Doch sie lügt nicht.
»Immerzu«, sagt sie.
»Immerzu.«
Sie schichtet die
Röllchen in einen Kochtopf und zerbröckelt Chili. Wieder lächelt sie.
Kurz zuvor habe ich
sie vor dem Fernseher gefragt, was sie zu tun gedenke, falls der Krieg kommt
und sie überrollt. Sie zuckte mit den Schultern und ließ die Amseln heraus.
Jetzt antwortet sie mir. Sie gießt etwas Essig in den Topf und sagt, dass sie
sich nicht aus ihrer Wohnung wegbewegen werden. Sagt, dass sie zweimal Krebs
gehabt habe, doch Gott wolle sie nicht, er lasse sie hier weiterkochen.
»Aber um die Kinder
muss man Angst haben.«
Aus dem Topf steigt
ein köstlicher Duft, ich sage, Gott tue gut daran, sie in dieser Küche zu
lassen. Sie fragt mich, warum ich keine Kinder habe.
Ich sage ihr ohne
Umschweife die Wahrheit, mühelos. Sie sieht mich mit dem Blick einer Biologin
an und schüttelt den Kopf. Dann erzählt sie, dass mein Name – Gemma – im
Prozess der Knospung die erste Anlage eines neuen Individuums bezeichnet.
Ich sagte Gojko, dass
ich Aska allein treffen wolle. Wir verabredeten uns in einer Bar, in der ich
noch nie war, eine Art Turban aus Kupfer und Glas mitten in einem Park, eine
seltsame Neuinterpretation des osmanischen Stils in österreichisch-ungarischer
Soße. Innen herrschten die dekadente Eleganz der Wiener Kaffeehäuser zu Beginn
des 20. Jahrhunderts und der Geruch nach Essiggurken und bosanska kafa . Aska saß halb versteckt hinter einem
Vorhang mit Spiegelscherben, neben sich den schwarzen Kasten ihres Instruments,
und redete eindringlich mit Gojko.
Ich ging zu ihrem
Tisch. Gab ihr die Hand.
»Hallo.«
Sie stand auf und
umarmte mich herzlich. Sie trug einen schwarzen Pullover voller Löcher und die
Jeans vom Vortag. Die Sicherheitsnadel steckte nach wie vor in ihrem Ohrläppchen,
doch geschminkt war Aska nicht. Ich geriet dicht an ihr Haar, an das Fleisch
ihres Halses, ich spürte den Geruch von duftendem Holz, von Palisander, von
Zeder.
Aska bestellte für
mich. Bayerische Creme aus Österreich und einheimische Süßspeisen mit Honig.
Während sie isst,
sehe ich sie forschend an. Sie sitzt dicht neben mir, im unbarmherzigen Tageslicht.
Ich suche nach etwas Kaputtem, nach einem kleinen, versteckten Makel. Doch sie
ist schön, ihr Gesicht ist ein vollkommenes, strenges Oval, und unter den Augen
hat sie eine natürliche Schwellung der wasserklaren Haut. Eine Müdigkeit, die
sie sinnlich macht, zerknittert diese Schönheit. Aska sieht mich auch an, die
Krümel an meinem Mund, den Ring an meinem Finger. Wir unterhalten uns.
»Wie alt bist du?«
»Zweiundzwanzig.«
Ich hatte gehofft,
dass sie etwas älter ist. Ich werfe einen Blick in die Runde, eine Frau im
mittleren Alter redet und raucht, wobei sie mit der freien Hand die
Zigarettenschachtel umklammert, als würde sie ihren Atem umklammern. Weiter
hinten ist eine Tür, vielleicht die zur Toilette. Plötzlich ist mir, als sollte
ich jetzt gehen, als sollte ich aufstehen und unter dem Vorwand, auf diese
Toilette zu wollen, einfach rausgehen, weg von dem Lamm und von den
Augenringen, die wie geschwollene Blütenblätter aussehen.
Mir ist, als habe sie
etwas von jener Frau, die ich vor einigen Jahren gewesen bin, denselben
Gesichtsausdruck, stolz und dümmlich.
Gojko wirft mir
verschmitzte Blicke zu, wie ein Heiratsvermittler, wie ein Kuppler.
Aska hat den Pullover
ausgezogen, es ist warm hier. Sie trägt ein weißes T-Shirt mit einem grauen
Aufdruck, ein junges Gesicht, ob Mann oder Frau, ist nicht zu erkennen.
Eine bayerische Creme
ist noch übrig, und sie fragt mich, ob ich sie haben will.
»Nimm du sie«, sage
ich.
Ich bin satt,
eigentlich hatte ich nie Hunger. Aska isst die Creme und leckt sich die Finger.
Sie hat sonderbare
Augen, auf deren Grund eine Schicht Traurigkeit liegt, wie kleine, am Ufer
vergessene Boote.
Sie schaut mich ernst
an, und auch wenn sie lacht, sieht sie nicht aus wie eine, die sich über andere
lustig macht. Gojko behandelt sie wie eine kleine Schwester, mit der gleichen
Grobheit, mit der er manchmal auch Sebina behandelt. Er fragt sie, wer denn die
Braut da auf dem T-Shirt sei.
Aska sagt Du Tattergreis hast doch keine Ahnung . Die Braut ist ein Kerl, ein Mythos,
und er heißt Kurt Cobain.
So erfahre ich, dass
sie Nirvana-Fan ist, dass sie sie die ganze Nacht durch im Dunkeln hört, sie
sagt, sie
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