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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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reibt sich Gesicht und Hals ab. Dann taucht sie die
Füße ins Wasser, das nur Eis ist.
    Barfuß geht sie durch
den Schnee. Vor dem, was von den sofe noch übrig ist, den Plätzen für die Frauen, bleibt sie stehen. Sie bückt sich,
kniet nieder. So verharrt sie, mit vorgeneigtem Körper, sie hat es schwer, denn
ihr Bauch hindert sie in dieser vollkommenen Unterwerfung vor ihrem Gott, bis
zum Boden hinunterzukommen.
    Ich gehe zu ihr und
knie mich neben sie. Ihre Augen sind wie reglose Fische unter einer Eisscholle.
    »Ich werde dir das
Kind geben«, sagt sie.
    Mit einem düsteren
Lächeln auf dem Gesicht, das mir nicht mehr ihres zu sein scheint.
    »Es sei denn, ein
Heckenschütze kommt dir zuvor.«

Pietro steht vor dem Spiegel
    Pietro steht vor dem
Spiegel. Nach einer seiner endlosen Duschaktionen. Er hebt seine nackten Arme
und betrachtet sich ausgiebig. Er kommt zu mir und fragt, ob ich einen
Unterschied zwischen den beiden Muskeln sehe, ob er schon den Arm eines
Tennisspielers hat.
    »Fass mal an.«
    Ich sehe keinen
Unterschied. Taste zwei lange, dünne Fleischröllchen und dann gleich den
Knochen.
    »Ich muss mich beim
Fitness anmelden, zum Krafttraining.«
    Jetzt sitzt er auf
dem Bett, mit einem Handtuch um die Hüften, das Laken unter ihm ist nass, egal,
wir reisen sowieso ab.
    Ich betrachte seinen
nackten, krummen Rücken mit den Körnchen der Wirbelsäule und seine
Schulterblätter, die hervorstehen wie zusammengelegte Flügel.
    »Ich bin hässlich.«
    Das sagt er ständig,
er findet jede Menge Fehler an sich, verkümmerte Schultern und zu große Augen
mit zu vielen Wimpern, wie ein Mädchen . Den kleinen, braunen Fleck mit ein paar Haaren, den er unterhalb
der Leistenbeuge auf dem Oberschenkel hat, findet er ekelhaft. Mann, so ein Scheißleberfleck , sagt er. Wegen dieses Flecks trägt
er am Strand keine kurzen Badehosen, nur solche bis zum Knie.
    »Du siehst doch toll
aus, was hast du denn?«
    Er war noch nicht mit
einem Mädchen zusammen. Die einzige Frau, die ihm Komplimente macht, bin ich,
und natürlich glaubt er mir nicht.
    Er hat einen zarten
Flaum auf der Oberlippe, der wie Schmutz aussieht, seine Zähne, seine Ohren und
seine Nase sind zu groß, weil der Kopf noch nicht ausgewachsen ist, seine
Gesichtszüge sind die eines von Picasso gemalten Kindes. Auseinandergezogene
Pferdeaugen in einem Bohnengesicht.
    Er wird einmal sehr
gut aussehen, das merkt man schon an seinem Lächeln, an der Anmut, die er im
Umgang mit kleineren Kindern hat oder wenn er fremde Menschen zur Begrüßung wie
enge Freunde spontan auf die Wangen küsst.
    In seinem Pass steht,
dass er in Sarajevo geboren ist. Für ihn ist diese Stadt ein Niemandsland, in
das ich zufällig geraten bin, als ich einem Vater folgte, den er nie
kennengelernt hat.
    Nur einmal hat er
mich gefragt, wie er geboren wurde. Er war in der dritten Grundschulklasse, er
musste es für eine Hausaufgabe wissen. Wir klebten ein Foto von ihm als
Neugeborenem auf ein Stück Pappe. »Was soll ich schreiben, Mama?« Er sollte von
seiner Geburt erzählen, und natürlich fragte er mich. Ich stand auf, öffnete
die Kühlschranktür und nahm ein Steak heraus. Ich erzählte mit dem Rücken zu
ihm, dachte mir irgendwas aus und drehte dieses kalte Stück Fleisch hin und
her.
    Dann sah ich seine
Hausaufgaben neben denen der anderen Kinder an der großen Schulwandtafel zum
Jahresende. Mit einem Plastikbecher Orangenlimonade stand ich inmitten dieses
Hühnerhofs von Müttern, den ich noch nie besonders gut vertragen habe. Mir
graut vor vertraulichen Gesprächen unter Müttern, keine ist so wie ich. Ganz
allein stand ich dort vor den Worten meines Sohnes. Er hatte eine banale,
zuckersüße Geburt beschrieben. Und gerade diese Banalität rührte mich an. Wir waren
wie alle anderen, ich eine herzallerliebste Mama und er ein pausbäckiges Baby.
Unsere absurde Geschichte verlor sich zwischen all den Erzählungen von
vorschriftsmäßigen Geburten, von hellblauen und rosa Schleifchen. Er war im
Erfinden viel besser gewesen als ich. Er stand ganz in der Nähe, die kümmerliche
Gestalt seines Vaters, das bleiche Gesicht der Stadt. Die ruhigen Augen eines
perfekten Komplizen: »Gefällt es dir, Mama?«
    Mir war eine Träne in
die Limonade gefallen. Eine Träne, so dumm wie mein Leben. Ich konnte nicht
antworten und nickte nur wie ein pickendes Huhn. Ich pickte gegen diese lahme,
ellenlange Lüge, die in der wackligen Schrift meines Sohnes mit dem Bleistift
dick aufgetragen war. Diese

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