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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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klopfen. Dazu habe er
sich ein Taschentuch über die Schulter gelegt, um die Uniform nicht zu
bekleckern.
    Das tut er nun auch
in dieser auf Country gestylten Raststätte. Er zieht ein schönes, schneeweißes
Altherrentaschentuch aus hauchdünnem Batist aus der Hosentasche, breitet es auf
seiner Schulter aus und verdeckt dabei Rangabzeichen und Kragenspiegel.
    »Gestatten Sie?«
    »Bitte.«
    Ich esse und habe nur
noch den Teller mit den restlichen Brötchen im Blick, erst nach einer Weile
bemerke ich, dass der Capitano mich unentwegt anschaut. Ich trage einen
dreckigen Anorak, habe ungewaschene Haare und den Hunger eines armen Schluckers,
ich habe keinen roten Heller bei mir, nur ein wenige Stunden altes Kind, das
ich bis zum Platzen mit Milch abgefüllt habe.
    Irgendwann wird er
mir sagen, dass er nicht gesehen habe, in welchem Zustand mein Anorak und meine
Haare waren, er wird sagen, für ihn sei ich bildschön gewesen, kühn und
außergewöhnlich, am meisten habe ihm mein Hunger gefallen, denn er habe eine
Frau gehabt, die sich nur von Salat ernährte, ein herbes, grünes Herz.
    Das Baby klebt an
seiner Uniform. Der Capitano geht ein paar Schritte bis zum Zeitungsständer
neben der Kasse und kommt zurück. Er ist stattlich, breit gebaut, doch
wohlproportioniert, seine Schritte sind gemächlich und ruhig.
    Der falsche Sandro
hat eine Coca-Cola getrunken und die Dose zusammengeknüllt. Als der Capitano an
ihm vorbeigeht, steht er in Erwartung eines Befehls auf, der nicht kommt.
    Der Capitano hält das
Baby mit einer Hand und klopft ihm mit der anderen leicht auf den winzigen
Rücken. Das Bündel bringt einen tiefen, harten Rülpser heraus, es klingt wie
das plötzliche Gurgeln im Abfluss eines Waschbeckens.
    »Sehen Sie?«
    Der falsche Sandro
sagt Alle
Achtung .
    Das Schnäuzchen des
Kleinen lehnt an dieser Schulter. Durch den Rülpser ist es zwar hochgeschreckt,
aber nicht aufgewacht. Ich habe die Brötchen aufgegessen, trinke Sprudelwasser
und muss ebenfalls aufstoßen. Ich bin so satt und zufrieden wie das Baby.
    Ich betrachte diesen
Mann am Ende des nächtlichen Lichts mit dem Neugeborenen aus Sarajevo auf dem
Arm. Und plötzlich spüre ich einen Schmerz, der mich künftig immer wieder ergreifen
wird, er überfällt mich auf eine ganz eigene Art. Packt mich am Genick und
lässt meinen Hals erstarren. Das ist Diego, der mich von hinten festhält, ich
erkenne seine Hände und seinen Atem, kann mich aber nicht umdrehen. Er ist es,
der das Baby auf dem Arm halten müsste, dieser Junge, der ein wunderbarer Vater
gewesen wäre, ein Heiliger, ein Zauberkünstler. Er ist es, der mich am Genick
gepackt hat und mir zuflüstert, ich solle das Schicksal anschauen, das vor mir
liegt, die Szenen meines Lebens ohne ihn. Er ist es, der mir nicht erlaubt,
mich umzudrehen. Und den Tod zu umarmen.
    Der Capitano setzt
sich wieder zu mir, auf die andere Seite des Tisches, auf die andere Bank.
    »Sind Sie müde?«
    »Ein bisschen, ja.«
    »Sie haben in
Sarajevo entbunden?«
    »Ja.«
    »Ganz schön mutig.«
    Wir kommen ins
Gespräch, ich erzähle ihm, dass mein Mann dort geblieben ist, dass er Fotograf
ist. Giuliano nickt, ich erzähle von Diego, davon, wie wir uns kennengelernt
haben, und von den Bildern, die er macht.
    In diesem Moment ist
die Sehnsucht grausam. Sie ist ein über die Ufer tretender Fluss. Ich sehe
wieder Diegos Beine auf dem Flughafen vor mir, dünn und kalt wie Eisenstangen.
Und ich sehe, wie er dableibt. Ich halte inne, meine Brust weitet sich, ich
atme tief durch, dann rede ich weiter. Giuliano senkt den Blick, schweigt.
    Irgendwann wird er
mir sagen, dass auch er ergriffen war, denn er habe noch nie eine so verliebte
Frau gesehen. Er hatte eine Ehefrau, eine Lebensgefährtin, Affären und
Liebschaften, doch als er mir in jener Nacht zuhörte, habe er sich nach einer
Liebe gesehnt, die ihn bisher noch nie ganz erreicht hatte.
    Er erzählt mir, dass
er nicht auf der Militärakademie war, dass er bei einer Sondereinheit war, und
auch im Libanon. Erzählt von einem Fallschirm, der sich nicht richtig geöffnet
hat. Deshalb ist er jetzt bei den Bodentruppen, im Büro. Er bringt mich zum
Lachen, sagt, er sei gespickt mit Metallplatten, und wenn er auf dem Flughafen
durch den Metalldetektor gehe, sei die Hölle los. Sagt: »Die Carabinieri-Witze
sind alle nur scheinbar Witze, und wissen Sie auch, warum?«
    »Nein.«
    »Weil alles daran
wahr ist.«
    Er lacht zusammen mit
dem falschen Sandro.
    Dann steht er auf,
geht zur

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