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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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diese
Plantage von Köpfchen. Samen, die aus Schnee sprießen. Vor ein paar Tagen habe
ich in der Zeitung von einer Frau gelesen, die ein Kind aus einer
Säuglingsstation gestohlen hatte, sie kam nicht weit, ein paar Häuserblocks
hinter dem Krankenhaus hielt sie an einer Bank an. Als die Polizisten
eintrafen, war sie froh, es ihnen übergeben zu können, das Baby schrie, und sie
wusste nicht, wie sie es beruhigen sollte, sie hatte nicht daran gedacht, dass
es so schreien könnte, dass es Hunger haben könnte. Sie hatte an gar nichts
gedacht, nicht an den Schock der Mutter, nicht an die Folgen. Sie hatte
instinktiv gehandelt, wie ein Hund, sie hatte sich den Knochen genommen, den
sie brauchte. Früher habe ich solche Meldungen nicht beachtet, ich übersprang
sie, sie gingen mich nichts an. Doch jetzt bin ich interessiert und stelle mir
die Augen dieser Frau vor, die es nicht schafft, die Fetzen ihrer Psyche zu
bezähmen.
    Ich gehe die
Krankenhaustreppe hinunter und steige ins Auto. Mag sein, dass Viola keine gute
Mutter wird, sie ist zu bedürftig, zu verwahrlost. Aber wer weiß das schon, das
ist nicht unbedingt gesagt. Ich muss mich mit dem Gedanken anfreunden, dass
Kinder eben wie Gras sprießen, dort, wo es sich gerade ergibt, dort, wo der
Wind den Samen hinweht.
    Aus Rumänien kommen
Briefe von den beiden Kindern, für die wir eine Patenschaft übernommen haben,
ich lese sie nicht einmal, mir liegt nichts daran, irgendeinen Kontakt zu ihnen
herzustellen. Ich fülle den Überweisungsschein für die Post aus, ich schicke
das Geld, und damit ist es genug.
    Diego markiert mit
dem Rotstift die Fotos, die nach Mailand geschickt werden sollen. Das Model ist
klapperdürr und trägt Stofffetzen in Tarnfarben, eine Schirmmütze und
Militärstiefel, das Gesicht ist schwarz verschmiert wie bei einem Soldaten, der
durch den Wald kriecht.
    Der Fernseher läuft,
es geht um die Gemetzel in Ruanda. Niemand hört hin, außer meinem Vater.
Schwarze Gestalten häufen sich in einem Fluss aus rotem Schlamm … Ich komme näher.
    »Was ist das?«, frage
ich.
    »Tote.«
    Ich betrachte die von
Macheten zerfleischten Körper, die Köpfe weit vom Rumpf entfernt. Brüder, die
von einem Tag auf den anderen angefangen haben, sich gegenseitig umzubringen.
Als ich den Fernseher ausschalte, graust mir immer noch. Aber das hält nicht
lange vor. Ich habe mir die Kontonummer notiert, die unten über den Bildschirm
lief, und will auch dem Strom schwarzer Waisenkinder Geld schicken.
    Mein Vater trinkt
einen Whisky, Diego schläft. Heute Abend war seine Stimme am Ende, seine Kastratenstimme.
    Wie aus heiterem
Himmel sagt mein Vater: »Hör mal, Gemma, warum adoptiert ihr nicht ein Kind?«
    Ich antworte
unaufgeregt. Sage ihm, dass wir die Patenschaft für zwei Kinder übernommen
haben, dass das schon in Ordnung so ist.
    Er nickt, ist aber
nicht beruhigt.
    »Ihr beide seid jung
und tüchtig …«
    »Wir sind nicht
verheiratet, Papa.«
    Er nickt mit
gesenktem Kopf, der schwer auf seinem Hals lastet, sagt, daran habe er nicht
gedacht. Er geht in den Flur zu seinem Mantel. Später klingelt er noch einmal
an der Tür.
    »Was gibt’s, Pa, hast
du was vergessen?«
    »Und warum heiratet
ihr nicht?«
    »Gute Nacht, Papa.«
    Wir heirateten. Auf
dem Standesamt. Da waren wir, einige Verwandte und die Trauzeugen. Duccio,
Diegos neuer Manager, in roten Hosenträgern und Nadelstreifenanzug, und Viola
mit dem kleinen Afghanen auf dem Arm. Es war ein Tag wie jeder andere, ein
anonymer, eher trister Donnerstag. Vorbereitungen hatte es keine gegeben, alles
war rasch vonstatten gegangen, mit einer gewissen Brutalität meinerseits. Wir
hatten die vorgeschriebene Aufgebotsfrist abgewartet, und nachdem man uns
Uhrzeit und Datum mitgeteilt hatte, fanden wir uns in einem Saal ein, an dessen
Eingang neben einer schlaffen Trikolore zwei Bronzerüstungen standen. Mit uns
wartete ein geschiedenes Paar um die fünfzig, das wieder heiraten wollte. Ich
trug ein graues, etwas zu strenges Kostüm. In letzter Minute hatte ich mir ein
geblümtes Tuch um den Hals geschlungen, um wenigstens etwas Leben in diese
steife Garderobe zu bringen. Ich sah aus wie meine Mutter. Diego trug sein
Cordjackett, das er den ganzen Winter über nicht ausgezogen hatte. Das einzige
festliche Indiz war eine senfgelbe Fliege. Ein schiefer Schmetterling auf einem
Sporthemd.
    Am Ausgang zog Viola
eine noch vakuumverpackte Tüte Reis aus der Handtasche. Wir warteten, bis sie
die Folie mit den Zähnen

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