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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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Kinder haben, sie wollen keine. Die Supermärkte sind voll von
Produkten für Singles, von Einwegpackungen und Fertiggerichten.
    Doch wir sind nicht
so. Wir zwei füttern die Katzen auf dem Hof. Auf unserem Balkon nistet eine
Taube, gurrt in einem fort und verdreckt alles mit ihren Federn. Ich müsste sie
mit dem Besen vertreiben und die Eier wegwerfen. Aus den stinkenden Schalen
schlüpfen ein paar gammlige, schwarze Küken. Diego baut eifrig Barrieren aus
Pappe, weil er Angst hat, sie könnten herunterfallen, zu den Katzen. Am Ende
fliegen die neuen Tauben mit den anderen aus ihrer Familie in Richtung
Dachrinne weg, übrig bleibt ein schwarz-weißer Kacketeppich, den ich abkratzen
muss.
    Eines Abends kommen
wir an einer Tierhandlung vorbei. Das Schaufenster ist voller Welpen, die in
ihren Käfigen fiepen, die kleinen, rosa Zungen hängen ihnen aus dem Maul. Diego
nimmt einen Dackelwelpen auf und lässt sich von dem glänzenden, lackschuhschwarzen
Würmchen das Gesicht ablecken. Er lacht. Es ist lange her, dass ich ihn so habe
lachen sehen. Ich streiche über die Käfige, über einen armen Papagei mit
grün-gelbem Federschopf. Ich rieche den staubigen Gestank nach dreckigem
Sägemehl und Tierfutter, das ist garantiert nicht der Geruch meines Lebens.
Diego berührt mich an der Schulter, er hat den Hund zurückgesetzt, hat ihn dem
Ladenbesitzer wiedergegeben und dem winselnden Käfig mit den anderen
Welpenbrüdern.
    »Komm, lass uns
gehen.«
    »Nimmst du ihn denn
nicht mit?«
    »Wir überlegen uns
das noch mal.«
    Ich lasse die
Handwerker kommen, lasse die Wohnung weißen, lasse eine neue Badewanne
einbauen, eine mit Hydromassage, lasse die Fliesen in der Küche auswechseln,
nehme nun glänzende in leuchtenden Farben. Mit Lackproben und mit Stoffmustern
für Vorhänge und für das Kopfende unseres Bettes laufe ich in unserem Haus
treppauf, treppab. Ich schwirre herum wie eine Fliege, spüre eine frische
Lebenskraft.
    »Gefallen dir die
neuen Sofas?«
    Diego nickt, probiert
sie aus. Für ihn war auch das alte noch in Ordnung, es war bequemer, er mochte
die lappigen Kissen und die schmutzigen Armlehnen, aber er würde ohnehin nie irgendwas
verändern. Er ist einunddreißig und hat noch immer sein Jungengesicht. Doch er
ist langsamer geworden, zaudernder. Ihm sitzt ein trockener Husten in der
Brust, der stoßweise hervorbricht, wenn er nervös ist.
    Wie immer verbummelt
er seine Sachen, die Brille, die Filmnegative … Doch neuerdings ist er
versessen darauf, sie wiederzufinden. Er verausgabt sich völlig bei den
Suchaktionen quer durch die Wohnung.
    Mein Vater hilft uns
bei dieser häuslichen Schatzsuche, bückt sich bis unter die Möbel und sieht
vorsichtig auf den Regalen nach, er will seine Nase nicht in unsere
Angelegenheiten stecken, will nur helfen.
    Er hat den Film
gefunden und gibt ihn Diego, doch kurz darauf sind die Autoschlüssel weg.
    Mein Vater reißt
Witzchen über uns, sagt, Diego sei wohl schon vertrottelt und werde langsam
alt. Er spürt unsere Mühe. An dem Abend, als ich ihm erzählte, dass ich keine
Kinder bekommen kann, legte er mir eine Hand auf den Mund, damit ich nicht
weitersprach, nicht weiterlitt. Er kam mit dem Gesicht heran und küsste seine
Hand, die fest auf meinem Mund lag. Er küsste mein Schicksal, unser Blut, das
hier endete. Er küsste die Wunde. Wie damals, als ich klein war und er meine
aufgeschürften Knie küsste, um mich zu heilen, wenn ich mit dem Fahrrad
gestürzt war.
    Es ist
vorbei, mein Schätzchen, es ist vorbei .
    Diegos Husten macht
mir Sorgen, ich gehe mit zum Röntgen. Er hat nichts, nicht einmal eine
Bronchitis. Nur seine Stimme ist leiser, weil die Stimmbänder vom vielen Husten
angegriffen sind. Er hat nun ein wimmerndes Kinderstimmchen, was mich anrührt.
    Ich kaufe ihm einen
dicken Schal und verabreiche ihm Aerosol wie eine überängstliche Mutter. Eine
von denen, die ihre Kinder krank machen, um sie fest an sich zu binden.
    Er inhaliert das
Aerosol und lächelt mich an.
    Ich bin
ein Wrack ,
sagt er.
    Er scheint sich
darüber zu freuen und sieht mich in Erwartung eines Lächelns oder einer Segnung
an.
    Der Weihnachtsbaum
ist tot, er hat es auf dem Balkon nicht geschafft. Ich nehme den Ballen
trockener Erde und schleudere ihn in die Mülltonne.
    Das hintere Zimmer
ist jetzt ein Fitnessraum, das hat sich der Architekt so ausgedacht. An den
Wänden hängen große Spiegel und eine Sprossenwand, in der Mitte steht ein
Laufband. Ich laufe im Dunkeln auf diesem Band,

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