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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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welchen
reichen Himmel werdet ihr denn zum Ficken fahren?«
    Diego lächelte, rieb
sich den Kopf und sah mich an.
    »Wir bleiben in Rom
und arbeiten.«
    »Bist du bescheuert,
du Idiot? Nach der Hochzeit fährt man weg, man nimmt seine Frau in den Arm und
verschwindet.«
    Wer weiß, was er sich
vorstellte, wohl eine ihrer wilden Hochzeiten, mit reich verzierten Bräuten
inmitten eines Gelages von Männern, die blau vom Šljivovica sind. Ihm schwebte garantiert nicht diese Gesetztheit vor, diese
erloschene Wohnung und wir zwei reglos in den Falten unseres Bettes,
verschlafen und langweilig.
    »Schnapp dir deine
Frau und bring sie in ein Hotel!«
    Diego grinste.
    »Ich werd’s
versuchen.«
    Er legte das Telefon
aus der Hand, sah mich an und löschte das Licht.
    »Komm, wir gehen ins
Grand Hotel und nehmen uns eine Suite.«
    Ich brabbelte den
typischen Satz einer achtlosen, besorgten Ehefrau.
    »Wozu denn so viel
Geld aus dem Fenster werfen.«
    Er wälzte sich
mehrmals herum, dann stand er auf. Ich fand ihn am Morgen auf dem Sofa vor dem
Fernseher, in dem ein schnauzbärtiger Fettwanst naive Malerei verkaufte … mit
nacktem Oberkörper und einem auf den Teppich herunterhängenden Arm, die
Champagnerflasche leer. Ich sammelte einen Hausschuh auf, ein Kissen. Ich ging
in die Küche, sah aus dem Fenster auf die vorbeifahrenden Autos und die
Marktstände. So blieb ich stehen, geistesabwesend an die Scheibe gedrückt, und
vermischte das, was ich sah, zu einem Brei aus schmutzigen, schlammigen Farben.
    Zwei Tage später
reichten wir beim Jugendgericht unseren Adoptionsantrag ein. Der lange Weg der
Bescheinigungen und Ämter begann. Das Warten füllte sich mit gestempeltem
Papier, Fragebögen, Familienbüchern und Auszügen aus dem Geburtsregister. Diese
körperunabhängige Schwangerschaft voller Büromief gefiel mir gar nicht
schlecht. Das war Zeit, die verging.
    Das Problem hatte
sich aus meinem Körper in den Papierkram von Amtsstuben und in Behördenkarteien
verlagert. Ich fuhr mit dem Motorroller herum, bockte ihn auf, lief treppauf, treppab,
freundete mich mit Pförtnern und mit untersetzten, hochnäsigen Bürodamen an.
    Mein Vater ging zum
Notar, um seine Einwilligungserklärung für das Nachlassvermögen zu
unterschreiben, Diego fuhr nach Genua. Im Strafregister stand noch dieser
Vermerk, diese kleine Strafsache mit den Ultras vom Marassi-Stadion, für die man
ihn vor Gericht gestellt und verurteilt hatte.
    Man bestellte uns zum
Polizeipräsidium. Wir gerieten an einen jungen, feisten Mann mit platter Nase.
Ein ausdrucksloser, bornierter Typ. Mit seinem breitgedrückten Albinogesicht
sah er aus wie einer dieser Fische, die unter dem Sand leben.
    Ich erinnere mich nur
noch an sein Feuerzeug, einen goldenen Zylinder, den er unentwegt in den Händen
herumdrehte. Er sprach leise und sah uns fast nie an. In einem fort leckte er sich
die Lippen.
    Diego war lächelnd
und schwungvoll hereingekommen. Diese Geschichten gehörten zu einem früheren
Leben. Er hatte seine Wollmütze auf dem Kopf, der Typ hob das Kinn.
    »Bitte nehmen Sie die
Kopfbedeckung ab.«
    Diego nahm sie ab und
entschuldigte sich.
    Irgendwann sagte der
Polizist zu ihm: »Sitzen Sie doch still.«
    Mit glänzenden Augen
schaukelte Diego leicht mit dem Oberkörper vor und zurück, er versuchte gerade,
sich an jene Jahre zu erinnern.
    Er hielt inne, sein
Gesichtsausdruck veränderte sich. Auf die Fragen antwortete er nun gereizt. Ein
Funkeln, das ich noch nie an ihm gesehen hatte, verdunkelte seinen Blick. Der
Kerl in Uniform wurde immer unverschämter. Das Licht veränderte sich. Wieder
leckte er sich die Lippen. Aus seiner Blässe trat jetzt ein farbloser Sadismus
hervor. Plötzlich fühlten wir uns wie zwei Schwerverbrecher. Er wusste alles
über uns, von den Reisen nach Sarajevo und allem anderen, ich fing an zu
stottern und mich für meine erste Ehe zu rechtfertigen, die nur wenige Monate
gedauert hatte. Der Typ fixierte mich mit seinem Amphibienblick, der irgendwann
auf meiner Brust kleben blieb. Ich zog meine Bluse zurecht. Diego stand auf.
Der Polizist sagte, er sei noch nicht fertig. Diego fragte: »Was wollen Sie
machen? Uns einsperren?«
    Von dem Tag an
fühlten wir uns beobachtet. Manchmal kam ein Polizeiauto an unserem Haus vorbei
und fuhr langsamer.
    Der Psychologe vom
Gesundheitsdienst war freundlich und stand komplett über den Dingen. Wir waren
zu Fuß zu der Außenstelle gegangen, einem Zentrum für Geisteskrankheiten. Eine
schöne, baufällige

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