Das schönste Wort der Welt
herumgebrüllt. Wir haben aufgehört zu
telefonieren.
»Ich bin unfruchtbar,
Gojko. Ich kann keine Kinder kriegen.«
Er ist betroffen. Er
hat immer einen Spruch auf Lager, doch jetzt schaut er verwundet um sich, er
presst die Lippen zusammen und zerknetet seine Nase mit dem Daumen. Er holt
einen knittrigen Zettel hervor und liest mir eines seiner Gedichte vor.
… und
das Leben lacht uns aus
wie
eine alte zahnlose Hure
die wir
mit geschlossenen Augen ficken
während
wir von einem Lilienarsch träumen …
Seine Augen sind
stumpf und still.
»Wir sind eine
glücklose Generation, Gemma.«
Er schüttelt mich,
umarmt mich. Ich halte seine Hand fest, betrachte die feinen Nägel an den
geschwollenen Fingern.
»Wir haben dieses
Kind liebgewonnen.«
Ich bin jetzt ein
gebrochener Staudamm an seinem Hemd.
»Hilf mir, sprich mit
der Mutter, such einen hiesigen Anwalt, irgendwen. Vielleicht können wir es
adoptieren, es in Pflege nehmen … Wir könnten der Mutter Geld geben.«
Diego kommt mit den
umgetauschten Tickets und einem Lächeln zurück. Er sieht mein hinfälliges
Gesicht. Ich stehe auf.
»Ich habe es ihm
erzählt.«
Wir umarmen uns alle
drei mitten auf dem weißen Platz.
Gojko sprach mit der
Mutter, er ging mit einer Flasche Kruškovača
zu ihr hoch und setzte sich unter das Plastikvordach in den Ziegengestank. Die
Mutter verzog das Gesicht zu einer Grimasse, der üblichen. Sie sagte, sie werde
es sich überlegen.
»Was hast du ihr
gesagt?«
Wir hatten damals ein
Boot gemietet, um einen Ausflug zur Insel Mljet zu machen. Wir fuhren über den
Salzsee zum Benediktinerkloster. Ante war mit von der Partie, Diego nahm ihn auf
die Schultern. Sie sahen wirklich aus wie Vater und Sohn. Gojko und ich gingen
ein paar Schritte hinter ihnen.
»Ich habe ihr die
Wahrheit gesagt, dass du keine Kinder kriegen kannst, dass ihr euch um das Kind
kümmern wollt und es zur Schule schicken wollt.«
»Hast du ihr auch
gesagt, dass wir ihr Geld geben können?«
Er senkte den Kopf
mit dem rötlichen Haar und kratzte ihn sich schwerfällig.
»Willst du es
kaufen?«
»Ich will alles tun.«
Er schaute mich lange
an, forschte in meinem hungrigen, entschlossenen Blick.
»Aber auch die Armen
haben das Recht, ihre Kinder zu behalten.«
»Diese Frau verdient
das Kind nicht, sie liebt es nicht, sie schlägt es.«
Ich lief zu Ante und
zog sein T-Shirt hoch, um Gojko die verschorften Striemen zu zeigen, die
allmählich abheilten.
Gojko schüttelte den
Kopf.
»Das hat Gott zu
entscheiden.«
Ich sagte, er sei ein
verfluchter, kroatischer Scheinheiliger, und wünschte ihn zum Teufel.
Am nächsten Tag
gingen wir wieder zu ihr und auch am übernächsten. Die Frau lächelte, nahm
unsere Geschenke an und zuckte mit den Achseln.
» Patre …«, sagte sie, der Vater hat das zu
entscheiden.
So begann eine lange
Reihe von Telefonaten in der Telefonzelle unseres Hotels. Nie war der in der
Krajina gebliebene Ehemann zu erreichen, immer nur irgendwelche Verwandten.
Ante kam in unser Zimmer und legte sich zwischen uns ins Bett. Ich hatte
angefangen, ihm ein paar Brocken Italienisch beizubringen, und ich duschte ihn
in der Badewanne.
Auf dem staubigen
Platz an der alten Mole wurde eine Auto-Scooter-Anlage aufgebaut. Wir
verbrachten den ganzen Abend dort, bis nur noch wir drei übrig waren und uns
lachend gegenseitig rammten. Als Diego ihm zu Leibe rückte, schrie Ante belin, ach du Scheiße , wie ein Junge aus der Via Pré in
Genua.
Als wir uns an diesem
Abend verabschiedeten, weinte er.
Tags darauf
erwischten wir seinen Vater am Telefon. Die Mutter rief Gojko in die Kabine.
Ich beobachtete ihn durch die Scheibe, sah, wie er zusammensank, redete,
schwieg und dann wieder lange redete.
Niedergeschmettert
kam er heraus. Ante ging in die Kabine. Sein Vater wollte mit ihm sprechen.
Er sagte nicht ein
Wort, und nur ein einziges Mal sahen wir ihn nicken. Er kam mit einem anderen
Gesicht heraus, einem wissenderen, wie mir schien. Seine großen, klaren Augen
fest auf uns geheftet.
» Moram ići za ocem «, sagte er mit seiner Möwenstimme.
Gojko übersetzte.
»Ich muss zu meinem
Vater.«
Das Kind sollte im
September mit ihm in die Krajina zurückkehren. Er war Soldat bei den
kroatischen Truppen. Auf seinen Sohn verzichtete er nicht. Er verfluchte seine
Frau, und anstatt ihn bei diesem unseligen Weibsstück zu lassen, wollte er ihn
lieber mit in den Kampf nehmen.
Ante verabschiedete
sich ohne Tränen von uns, still reichte er uns
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