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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Mazzantini
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Stille, unwillkürlich zog ich den Kopf ein und hielt mir die Ohren zu. Militärflugzeuge
rasten im Tiefflug über das Meer, sie streiften uns beinahe und fegten über die
Wellen. Eine Zeitlang dachte ich, sie hätten uns getroffen. Ein paar Seeleute
erschienen auf der Bildfläche. Ich sah ihre erdfahlen Gesichter. Die Flugzeuge
kamen vom Militärstützpunkt in Dubrovnik, während weitere Staffeln gleichzeitig
in Split, Rijeka und Pula abhoben: Das erfuhren wir später, als der Fernseher
vor dem Bartresen endlich lief. Diego hatte es sich in einem Sessel bequem
gemacht, das eine Bein hochgezogen und es gegen die Rückenlehne des
davorstehenden Sessels gestemmt, er trug seine Sonnenbrille. Touristen in
Badelatschen, mit Gürteltaschen am Bauch und mit Kaffeetassen in der Hand
drängten sich vor dem Fernseher, vor den Bildern, die kamen und gingen. Auch
die Seeleute waren alle da, sogar der Kapitän wandte kein Auge von dem
flackernden Bildschirm, während er ein Bier aus der Flasche trank.
    »Wer, zum Teufel,
steuert jetzt eigentlich diesen Kahn?«, fragte ich Diego.
    Ich entlockte ihm ein
Lächeln, er zog mich an sich.
    Wir begannen auf
Englisch ein Gespräch mit einem Norweger. Er war Reporter, hatte die Panzer der
Bundesarmee gefilmt, die an den Grenzlinien aufgefahren waren, und hatte die
Dienstreise dann natürlich genutzt, um die Inseln zu besuchen. Er hatte einen
popeligen blonden Zopf, blinzelte unentwegt und redete zu schnell. Er war
skeptisch, pessimistisch. Er hatte Milošević
interviewt, der ihm mehr als einmal gesagt hatte, dass jedes Stück Land mit einem serbischen Grab zu
Serbien gehört .
    »Kroatien ist voll
von serbischen Gräbern«, knurrte der Norweger.
    Die Militärflugzeuge
waren verschwunden. Diego schaute durch das salzverkrustete Fenster aufs Meer,
ein Sonnenstrahl fuhr ihm in den Mund.

Es ging ganz schnell
    Es ging ganz schnell.
Im Fernsehen sahen wir die Bombardements von Zagreb, von Zadar und dann von
Dubrovnik, wo wir jenen Tag verbracht hatten. Manchmal glaubte ich, eine Stelle
wiederzuerkennen, eine Hauswand, an der ich in Latschen entlanggegangen war,
während ich ein widerliches Eis mit Bananengeschmack geleckt hatte. Wir saßen
auf unserem neuen Sofa. Draußen herrschte Roms schlaffe Ruhe, und der Oktober
war wie immer großzügig mit Licht. Ich steckte mir die Finger in den Mund und
zerkaute meine Nägel. Ließ jenen Tag und alles, was wir in Dubrovnik gesehen
hatten, noch einmal Revue passieren.
    Das Pile-Tor, die
lange Fußgängerzone der Placa Stradun und den Onofrio-Brunnen. Dann weiter zum
Glockenturm und zur Rolandsäule.
    Diego hatte die Stadt
nicht ein einziges Mal fotografiert, nur Teile von Leuten in Bewegung und
Stühle in einer Bar. Ebendiese Stühle sahen wir in einer Fernsehreportage auf
dem Boden liegen.
    So begann der Krieg
für uns. Mit diesen umgeworfenen Stühlen in den Trümmern einer Bar … der Bar,
in der wir wenige Monate zuvor gesessen hatten und in der Gojko seine
Spielereien und das kurvenreiche Püppchen hervorgeholt hatte, an dessen Hals
ein Foto von mir klemmte. Wir riefen ihn nun häufig an. Er beruhigte uns. Doch
er hatte Verwandte in Zagreb, die ihre Wohnungen räumen mussten.
    »Ich bin im Urlaub,
in Österreich.«
    Ich weiß nicht, ob
aus Stolz oder aus anderen Gründen, doch es fiel ihm nun schwer, über sein Land
zu sprechen, das gerade Stück für Stück zerplatzte wie Popcorn in einer Pfanne.
    Auch in der Redaktion
fällt mir auf, dass niemand große Lust hat, sich mit diesem Krieg zu befassen,
zumal die Zeitschrift eine wissenschaftliche ist. In der Bar sagt Viola,
während sie sich ein belegtes Brötchen aussucht: »Die Balkanländer … Kein
Schwein kapiert, was da los ist, in den Balkanländern.«
    Sie beißt in ihr
Brötchen und sagt, es sei pappig und der Thunfisch sei alt, sie habe einen
Fehler gemacht, sie hätte das mit Spinat nehmen sollen. »Die gehen ja auch
allen am Arsch vorbei … Kein Wunder.«
    »Wieso kein Wunder? «
    »Wen, zum Geier, interessieren
die denn schon?«
    Ihre Miene ist
genervt und gutmütig wie immer. Sie zuckt mit den Schultern, zeigt auf den
Brotröster hinter dem Tresen und sagt, dass sie da gerade mein Brötchen
anbrennen lassen, sie protestiert für mich.
    »Was macht das Baby?«
    »Ist in der Krippe.«
    Wir sehen ihn Abend
für Abend im Fernsehen, diesen Krieg, das ist die eigentliche Neuigkeit. Er ist
ganz nah, nur wenige Seemeilen entfernt, und er ist weit weg, weil er über den
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