Das schönste Wort der Welt
deutlich wahrnehmbares Geräusch wie Tellerklappern im Ausgussbecken. Sie
ist eine hier und da unterbrochene Stille, Stoff von einem nervösen Schneider
zerschnitten. Die Schritte eines Weglaufenden, dumpfe Steine, die im Matsch
versinken. Ein Feuerstoß, gar nicht so entsetzlich, eher wie eine zerreißende
Kette. Dann der harte Schlag einer Granate. Die erzitternde Fernsehkamera. Das
Objektiv von einem Glassprung zerspritzt. Stimmenraunen wie von Kindern aus
einer Schule. Aus einem verbrannten Auto taucht ein Kopf auf, klein und flink
wie der eines Kükens, das gerade seine Eierschale zerbrochen hat.
Währenddessen gehen
wir in der Wohnung herum und erledigen unseren Kram, ich trage meine Nachtcreme
auf. Diego öffnet das Fenster und sieht auf die Straße, auf den geregelten nächtlichen
Autoverkehr, mit roten und weißen Lichtern, mit verschwommenen Leuchtstreifen.
Nachts eine Verbindung
zu bekommen ist einfacher. Wir wählen die Vorwahl, dann die Nummer. Wir warten
die Leere ab, den Sprung über die Ländergrenzen, über Kilometer zu Land und zu
Wasser … Doch es klappt nicht, die Leitung wird unterbrochen, sie scheint ein
Gummiband zu sein, das reißt und zurückschnellt. Wir versuchen es wieder und
wieder, und endlich kommt das Freizeichen, tief, fern. Wir stellen uns vor,
dass es wie an einer Zündschnur die Kabel entlangläuft, die sich durch Wälder
ziehen, durch Ebenen mit Pappeln, durch Sonnenblumenfelder, durch Flüsse, die
aus dem Gestein von Bergen wie dem Zelengora, dem Visočica und dem Bjelašnica herabstürzen … und schließlich durch
Sarajevo, die Zündschnur durchquert die Stadt, sie erreicht den rosa Wohnblock
und das graue Beamtentelefon, das unter dem Bild von Tito auf der mit Spiegelrauten
geschmückten Anrichte steht.
Gojko meldet sich mit
einer Stimme, die so nah ist, als stünde er in der Telefonzelle, die man vom
Fenster unseres Badezimmers aus sehen kann. Er schreit seiner Mutter zu, sie
solle den Fernseher leiser stellen. Diego spricht mit ihm, er ist es, der den
Hörer hält. Ich stehe neben ihm, mein Kopf an seinen gepresst, wie ein Hund. Er
fragt, wie es ihnen geht, ob sie etwas brauchen. Gojko antwortet, dass er
nichts gegen eine Kiste Brunello di Montalcino hätte.
»Nein, im Ernst.
Brauchst du was? Ich schicke es dir, ich bringe es dir.«
»Immer mit der Ruhe.«
»Wie geht es deiner
Mutter? Wie geht es Sebina? Vielleicht sollte ja wenigstens sie da rauskommen.«
»Bei uns ist kein Krieg.«
»Wird es welchen
geben?«
Gojko sagt, es wird
keinen geben. Niemand wird Sarajevo antasten.
Ich nehme ein Stück
Parmesan und eine Birne und bringe den Teller zu Diego. Wir essen, wo es sich
gerade ergibt, Bissen für Bissen. Ich schiebe ihm das Essen in den Mund.
Die Wohnung ist zu
vollgestopft, wir sollten fast alles wegwerfen. Nur das Sofa stehenlassen, doch
vielleicht nicht einmal das, nur das Klavier, und uns mit dem Rücken an der
Wand auf den Boden setzen wie früher, wie vor wenigen Jahren, als wir jung
waren.
Er ist nackt, er
fotografiert den Fernseher. Nachts schleudert er Blitze auf dieses Blau, diesen
Krieg, den wir im Kasten sehen. Er fotografiert so die Toten im Krankenhaus von
Vukovar, die wächsernen Münder, zerrissen vom letzten Atemzug.
Ringsumher der Glanz
der Wohnung, die Nippsachen, die hellen Vorhänge, die Autoschlüssel, Normalität
bestrichen mit Butter und Unzufriedenheit. Diego schießt Fotos, er hockt auf dem
Boden, verwendet ein Weitwinkelobjektiv, fotografiert in die Breite, reißt die
Dinge aus den Rändern. Er wird blaue Abzüge machen, gedehnt und im Querformat
wie im Cinemascope, der Fernseher, der in diesem polierten, nächtlichen Raum
schwimmt, ringsumher schwarze Dinge und nur dieses Licht, dieses Blau, das den
Tod beleuchtet.
»Das reicht, komm ins
Bett.« Sein Hintern ist abgezehrt wie der eines Hundes.
Wir lieben uns. Sein
Körper ist ein Knochenmantel.
Verschwitzt fällt er
neben mich. Er hustet, ein dunkler, kurzer Husten.
Er lächelt mich an,
Faltentrauben im Gesicht eines Kindes.
Er sieht wieder fern.
Eine Autowerbung. Und dann das erhängte Mädchen im roten Pullover, mit
gespreizten Beinen, die so stämmig sind wie die der Kuh in ihrem Stall.
Es geschah beim
Friseur. In dieser warmen Blase aus geföhnter Luft und aus dem Duft nach Shampoo
und Färbemitteln. Ich mochte es, dorthin zu gehen und den Kopf nach hinten auf
eines der Waschbecken zu legen, die aufs Parkett gepflanzt waren. Das Mädchen
massiert den Schmutz der Stadt und
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