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Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Titel: Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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kommen würde. Ein Tag mehr, und alles wäre im Chaos versunken. Dann hätte Queen Anne sich gezwungen gesehen, in einen Frieden einzuwilligen und ihren Bruder als Nachfolger zu bestimmen, um die eigene Haut zu retten. Aber der junge König fing sich gerade dann die Masern ein, als sie von Dünkirchen lossegeln wollten, was die Abreise natürlich verzögerte. Auf See gerieten sie in einen Sturm, und schließlich kamen sie auch noch vom Kurs ab und landeten hier oben, mussten wenden und verloren wieder einen Tag. Als sie endlich den Firth erreichten, fuhren sie nicht hinein, sondern ankerten, warteten die Nacht ab und ließen sich von den Engländern erwischen. Geschichte«, sagte Graham, »ist letztlich nichts anderes als eine Abfolge unterschiedlicher ›Was wäre wenn?‹«. Was, wenn der französische Kommandant nicht vom Kurs abgekommen wäre und den Firth einen ganzen Tag früher erreicht hätte, lange vor den englischen Schiffen? Was, wenn das erste Schiff, das in den Firth hineinsegelte, die … wie war noch gleich ihr Name …?«
    »Die Proteus ?«
    »Genau, die Proteus . Du hast wirklich ein gutes Gedächtnis. Was, wenn diese Fregatte nicht als Erste angekommen wäre? Die schottischen Lotsen gingen alle dort an Bord, so dass keiner mehr da war, der das später eintreffende Schiff des Königs leiten konnte. Mit Lotsen hätte der französische Kommandant vielleicht versucht, bei Flut weiter in den Firth hineinzufahren und den König und seine Soldaten in Sichtweite von Edinburgh abzusetzen, bevor am nächsten Morgen die Engländer auf der Bildfläche erschienen. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob die Lotsen tatsächlich einen großen Unterschied gemacht hätten.«
    »Warum das?«
    »Weil es sein könnte, dass der französische Kommandant nur seinen Anweisungen folgte.«
    »Du meinst, das Unternehmen sollte scheitern?«
    »Wundern würde es mich nicht. Die Jakobiten hatten sich von Anfang an den Duke of Berwick als Anführer der Invasion gewünscht, aber der französische König setzte ihnen einen anderen vor die Nase. In seinen Memoiren äußert sich Berwick ziemlich wütend darüber und schreibt, er hätte James sicher an Land gebracht. Das glaube ich ihm auch. Außerdem waren nicht alle der Ansicht, dass die französischen Schiffe zufällig vom Kurs abkamen. Von deinem Colonel Hooke ist die Geschichte bekannt, dass er in jener Nacht nicht schlafen konnte und an Deck ging, wo er sah, dass sie an Cruden Bay vorbeisegelten, viel weiter nördlich als geplant. Als er das dem Kommandanten mitteilte, gab der sich überrascht und versprach ihm, den Kurs sofort zu korrigieren, doch das geschah nicht. Nach dem Grund dafür gefragt, antwortete der Steuermann, er folge nur seinem Befehl. Da informierte Hooke den König über den Verrat.«
    »Ich kann mich nicht erinnern, das gelesen zu haben.«
    »Steht, glaube ich, bei Oliphant, in seinem The Jacobite Lairds of Gask . Wenn du möchtest, such ich es für dich raus.«
    Es gab nicht viel über oder von Hooke, das ich nicht gelesen hätte. Die meisten seiner Schriften waren nach dem Scheitern des Aufstands einer großen Vertuschungsaktion zum Opfer gefallen, der nicht einmal die Watergate-Affäre das Wasser reichen konnte. Lediglich zwei kleine Bände wurden gerettet.
    Offenbar wirkte ich müde, denn Graham nahm lächelnd meine leere Kaffeetasse. »Ich koch noch welchen. Sieht nicht so aus, als wärst du schon mit dem Schreiben fertig.«
    »Tut mir leid. Wenn du etwas anderes machen möchtest …« Als er zu grinsen begann, fügte ich hastig hinzu: »Ich meine …«
    »Ich weiß, was du meinst. Arbeite ruhig weiter, ich muss auch noch zwanzig Seminararbeiten korrigieren, und die schaffe ich nicht, wenn ich weiter Vorträge über die Invasion halte. Außerdem kann ich nicht mit letzter Sicherheit sagen, warum das Unternehmen scheiterte. Es ist schwierig genug, die Motive von Menschen in unserer eigenen Zeit zu durchschauen. Schließlich können die Leute von damals nicht zu uns kommen und uns erzählen, wie es wirklich war, oder?«
    Ich kraulte den Spaniel hinter den Ohren. Zum Glück, dachte ich, war das eine rhetorische Frage.

 
      18  
     
    Im Hafen von Leith lagen zahllose Schiffe und Boote vor Anker, und der Mann, der Sophia ruderte, musste sich vorsichtig einen Weg suchen. Leith war der Hafen von Edinburgh, in dem es immer geschäftig zuging, so dass man fast das Gefühl hatte, angefeuert von den Rufen der angetrunkenen Seeleute von Boot zu Boot über das

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