Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
würde bei der Regierung den Verdacht wecken, dass ein Komplott geschmiedet wird. Colonel Hooke muss jetzt, da die wichtigsten Männer nach Erfüllung ihrer parlamentarischen Pflicht in die unterschiedlichen Counties zurückgekehrt sind, weite Strecken zurücklegen, um sich mit ihnen zu treffen. Das ist riskant genug. Soweit ich weiß, möchte er das Land in zwei Gebiete aufteilen, von denen er das eine und Mr. Moray das andere bereist, aber mein Sohn hat hinsichtlich dieses Plans Bedenken.«
»Warum?«, fragte Sophia.
Die Countess fädelte blutrote Seide in ihre Nadel. »Mr. Moray wird gesucht.« Sie klang stolz. »Vor drei Jahren haben die Engländer fünfhundert Pfund Sterling Belohnung für seine Ergreifung ausgesetzt.«
Wieder stach sich Sophia in den Finger. »Fünfhundert Pfund!«, rief sie aus. Ein Zehntel dieser Summe hätten die meisten Menschen wohl schon als Vermögen erachtet.
»Südlich des Tay, wo er herkommt, kennen ihn alle«, sagte die Countess, »aber in den Highlands, meint der Colonel, könnte sich Mr. Moray ohne allzugroßes Risiko bewegen.«
Sophia runzelte die Stirn. »Warum …?«, begann sie.
»Ja?«, hakte die Countess nach.
»Entschuldigung. Es geht mich nichts an, aber es müsste doch noch andere Männer geben, die Colonel Hooke begleiten könnten, oder? Wieso hat King James ausgerechnet Mr. Moray nach Schottland geschickt?«
»Manche Männer suchen selbst die Gefahr.«
Sophias Vater war ein solcher Mann gewesen. »Und wenn er gefangen genommen wird …?«, hob sie an.
»Nun, dann fliegen wir möglicherweise auf.« Die Countess biss den blutroten Faden ab.
Am nächsten Morgen glaubte Sophia, von Pferden geträumt zu haben, die vor Slains unruhig mit den Hufen stampften und warme Atemwolken aus den Nüstern stießen, während laute Männerstimmen erklangen. Als sie die Augen aufschlug, war es noch fast dunkel. Von ihrem Fenster aus konnte sie einen schmalen rosafarbenen Streifen am wassergrauen Horizont sehen, was bedeutete, dass es noch mindestens eine Stunde dauern würde, bis Familie und Gäste sich zum Frühstück versammelten. Sophia zog sich an und verließ ihr Zimmer, um sich auf die Suche nach Gesellschaft zu machen.
Obwohl auf dem Küchenherd ein Topf stand, konnte Sophia weder Mrs. Grant noch irgendeinen anderen Bediensteten entdecken. Weil sie Kirsty bei Rory in den Stallungen vermutete, ging sie hinüber, fand dort aber nur Hugo in seinem Lager aus Stroh sowie die Stute, die Sophia von Edinburgh nach Slains getragen hatte und von deren Rücken sie bei ihrem Ausritt mit der Countess gefallen war. Sophia berührte ihr samtweiches Maul.
»Sie sind weg, was?«, sagte Sophia. Dann waren die stampfenden Hufe und die Männerstimmen also doch kein Traum gewesen, und Colonel Hooke und Mr. Moray hatten sich in Richtung Süden beziehungsweise Norden auf den Weg gemacht.
Plötzlich empfand sie ein Gefühl des Verlusts, vielleicht, weil sie keine Gelegenheit gehabt hatte, sich von Mr. Moray zu verabschieden und ihm Glück zu wünschen bei seinem gefährlichen Unterfangen.
Den Kopf gegen das weiche Maul der Stute gedrückt, sagte sie: »Gott schütze ihn.«
Da fragte eine Männerstimme: »Welcher Mann darf sich über eine solche Bitte freuen?«
Als sie sich umdrehte, sah sie Mr. Moray, der, die Arme vor der Brust verschränkt, am Tor lehnte. Hugo hatte nicht gebellt, wie er es sonst tat, wenn Fremde den Stall betraten, und auch die Stute wurde nicht nervös.
»Ich dachte, Sie seien weg«, platzte Sophia heraus. »Hat Colonel Hooke die beiden anderen Pferde mitgenommen?«
»Nur das schwarze. Mit dem zweiten erledigt der Stallbursche etwas für den Earl. Und ich bin, wie Sie sehen, noch hier«, fügte er mit düsterer Miene hinzu, die sich jedoch aufhellte, als er fragte: »Handelt es sich um eine merkwürdige Sitte der Western Shires, kurz nach Sonnenaufgang mit Gott und Pferden zu reden?«
Sie hielt den Blick auf die Stute gerichtet. »Ich konnte nicht schlafen.«
»Aye, beim Aufbruch herrschte ziemlich große Verwirrung. Möglicherweise bin ich selbst ein bisschen laut gewesen. Wahrscheinlich habe ich Sie geweckt.« Er schwieg einen Augenblick, bevor er bemerkte: »Die Stute scheint Sie zu mögen.«
Sophia lächelte. »Nun, sie hat mich einmal abgeworfen, aber ich gebe zu, dass die Schuld hauptsächlich bei mir lag.«
»Das wundert mich. Sie wirkt so sanft, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie eine grobe Reiterin sind.«
»Nein, ich bin nur gefallen,
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