Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
mir einfiel, womit er sich seinen Lebensunterhalt verdiente, versuchte ich zurückzurudern: »Natürlich nicht alle Lehrer, aber …«
»Gesagt ist gesagt.« Er musterte mich belustigt. »Ich muss mich wirklich bemühen, Ihnen nicht böse zu sein.«
»Ich wollte nicht …«
»Machen Sie’s nicht noch schlimmer«, warnte er mich.
»Jedenfalls hab ich die Uni ohnehin nicht abgeschlossen.«
»Wieso nicht?«
»Weil mein erster Roman vor dem Abschluss fertig war und sich gut verkaufte. Da bekam das Ganze eine Eigendynamik. Manchmal mache ich mir noch Gedanken darüber, dass ich das Studium nicht zu Ende gebracht habe, aber andererseits kann ich mich auch nicht beklagen. Das Schreiben tut mir gut.«
»Nun, Sie haben Talent.«
»Die Kritiker sind sich da nicht einig.« Ich sah ihn verwundert an. »Warum glauben Sie das?«
»Möglicherweise, weil ich in der letzten Woche eins Ihrer Bücher gelesen habe.«
»Ach. Und welches?«
Er nannte mir den Titel. »Es hat mir gefallen, besonders die Schlachtszenen.«
»Na, herzlichen Dank.«
»Sie scheinen ziemlich gründlich recherchiert zu haben. Allerdings finde ich es schade, dass der Held am Ende sterben muss.«
»Ich habe mich ja um ein Happy End bemüht, aber die Realität sah anders aus, und ich schreibe die Geschichte nicht gern um.« Zum Glück hatten viele Leser und Leserinnen mir in Briefen mitgeteilt, dass sie den tragischen Schluss mochten.
»Meine Mutter hätte Ihre Bücher geliebt.«
Die Hand immer noch auf dem Hals des Pferdes, wandte ich mich ihm zu. »Ist sie schon lange tot?«
»Sie starb, als ich einundzwanzig war.«
»Das tut mir leid.«
»Tja. Das ist jetzt fünfzehn Jahre her, und seitdem hat sich mein Vater nicht mehr richtig berappelt. Ich glaube, er macht sich Vorwürfe.«
»Weswegen?«
»Sie hatte Herzprobleme. Er meint, er hätte sie in ihrem Tatendrang bremsen müssen.« Graham lächelte. »Aber versuchen Sie mal, einen Wirbelwind zu bändigen! Meine Mum war ständig in Aktion.«
Von ihr hatte er wohl seine eigene Rastlosigkeit.
»Leben Ihre Eltern noch?«
»Ja, zwei Schwestern habe ich auch.«
»Und sie sind alle in Kanada?«
»Eine lebt in den Staaten, die andere unterrichtet Englisch in China. Mein Vater glaubt, unser schottisches Blut sei schuld an unserer Wanderlust.«
»Möglicherweise hat er recht. Und wo ist für Sie Ihr Zuhause?«
»Eigentlich habe ich keins. Ich reise immer an die Orte, an denen meine Bücher spielen, und lebe während des Schreibens dort.«
»Wie eine Zigeunerin.«
»Tja, so könnte man es nennen.«
»Da erleben Sie sicher viel und lernen interessante Leute kennen.«
»Ja, manchmal.« Ich wandte mich wieder Tammie zu, der mich anstupste. »Er ist tatsächlich ein richtiger Charmeur.«
»Tja, er sieht wirklich gut aus«, sagte Graham, »und das weiß er auch.« Er blickte nach draußen. Der Regen hatte nicht nachgelassen. »Ich glaube, heute wird das nichts mehr mit unserer Besichtigungstour.«
Ich hätte gut und gerne den ganzen Tag dort im Stall verbringen können, allein mit Graham, Angus und Tammie. Doch als Graham sich erhob, stellte ich den Kragen hoch, tätschelte Tammie kurz zum Abschied und lief mit Graham über den Hof zu seinem Wagen, mit dem er mich zu dem Pfad unter dem Cottage zurückbrachte. Dort stieg er aus, schlüpfte aus seiner Jacke und hielt sie zum Schutz gegen den Regen über uns beide.
»Ich begleite Sie nach oben«, sagte er.
Er ließ Angus im Wagen, was bedeutete, dass er nicht vorhatte, mit ins Cottage zu kommen. Als wir es erreichten, bedankte ich mich ein wenig enttäuscht bei ihm.
Graham zog seine Jacke wieder an. »Mit der Rundfahrt versuchen wir’s ein andermal«, versprach er.
»Okay.«
»Bis morgen dann beim Mittagessen.«
»Gut.«
Er sah aus, als wollte er noch etwas hinzufügen, zog am Ende aber nur die Kapuze über den Kopf und verabschiedete sich mit einem Lächeln von mir, während ich den Schlüssel herausholte, um ihn ins Schloss zu stecken.
Doch er fiel mir aus den kalten, feuchten Händen, so dass ich ihn vom Steinboden aufheben musste. Als ich mich aufrichtete, war ich bis auf die Haut durchnässt.
Zu Graham, der sich wieder zu mir gesellt hatte, um mir zu helfen, sagte ich: »Kein Problem, ich hab ihn.«
Da spürte ich seine Hand an meinem Gesicht, spürte, wie seine Finger über meine Wange strichen.
»Ich habe meinem Dad nichts gesagt, weil ich dich nicht teilen wollte. Noch nicht.«
Was sollte ich darauf erwidern?
Er deutete mein
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