Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
andere Geschwister?«
»Nein.«
»Ich überlasse Ihnen gern ein paar von meinen«, sagte er trocken. »Ich habe zwei Schwestern und drei Brüder.«
»Traurig, dass Sie sie während Ihres Schottlandaufenthalts nicht treffen können.«
»Aye. Den kleinen Sohn von meinem älteren Bruder William, dem Laird of Abercairney, habe ich noch nie gesehen, obwohl er schon achtzehn Monate alt ist. Ich hatte gehofft, ihn bei diesem Aufenthalt kennenzulernen, aber dazu bekomme ich wohl keine Gelegenheit.«
»Ein so kleines Kind würde sich wahrscheinlich sowieso nicht an Sie erinnern«, versuchte sie ihn zu trösten.
»Aber ich würde ihn im Gedächtnis behalten.«
Ob es ihm schwerfiel, in der Fremde zu leben? Für schottische Männer war es nichts Ungewöhnliches, sich im Ausland niederzulassen, und die jüngeren Söhne von Adelsfamilien, die nichts vom Grundbesitz erben würden, entschieden sich oft für den Militärdienst und bauten sich etwas auf dem Kontinent auf. Auch der irische Colonel Hooke hatte das getan, und jetzt warteten Frau und Kinder in Frankreich auf ihn. Wie sah es wohl bei John Moray aus?, fragte sich Sophia.
»Haben Sie selbst Söhne?«, erkundigte sie sich so beiläufig wie möglich.
Er sah sie von der Seite an. »Nicht, dass ich wüsste. Und meiner Mutter wäre es vermutlich lieber, wenn ich heiraten würde, bevor ich neue Kinder in die Familie bringe.«
»Oh«, sagte Sophia, weil ihr nichts Besseres einfiel.
Da sie spürte, dass ihre Verwirrung ihn amüsierte, versuchte sie, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
»Leben Sie am Hof?«, fragte sie.
»In Saint-Germain? Du lieber Himmel, nein«, antwortete er. »Das ist nicht der richtige Ort für mich. Ich bin dort zu Hause, wo der König von Frankreich mein Regiment hinschickt, obwohl ich die Abwechslung in Saint-Germain genieße, wann immer ich hinkomme.«
Sophia hatte schon viel vom jungen James gehört – »the Bonny Blackbird« nannten sie ihn seines guten Aussehens wegen –, von seiner jüngeren Schwester Princess Louise Marie und von dem Pomp und den Festlichkeiten an ihrem Hof im französischen Exil, aber sie kannte niemanden, der tatsächlich dort gewesen war. »Stimmt es, dass der König und die Prinzessin die ganze Nacht tanzen und am nächsten Morgen zur Jagd gehen?«
»Und nachmittags flanieren?«, fragte er belustigt. »Aye, die Gerüchte habe ich auch schon gehört. Nun, die beiden sind jung und gönnen sich ihren Spaß. Wie könnte man ihnen das auch nach allem, was sie erlebt haben, verdenken? Letztlich ist die Prinzessin jedoch eine vernünftige und sittsame junge Frau, und der König widmet sich hauptsächlich in- und ausländischen Geschäften. Allerdings«, fügte er hinzu, »erinnere ich mich sehr wohl an den Dreikönigsball in Versailles, bei dem King Jamie und Louise Marie bis vier Uhr morgens tanzten, die Prinzessin in einem gelben, mit Juwelen besetzten Samtkleid und Diamanten im Haar. Im Saal brannten zweitausend Kerzen. Als der Ball vorüber war, eskortierte die Garde des französischen Königs die beiden zu ihrer Kutsche, in der sie, von prachtvoll gekleideten Reitern mit dem weißen Federbusch der Stuarts an der Kappe begleitet, nach Saint-Germain zurückkehrten.«
Sophia versuchte, sich das Ganze vorzustellen. Wie romantisch alles klang! Und wie schön es wäre, den König wieder im Land zu haben. Der erste King James war im Jahr von Sophias Geburt ins Exil gegangen, und seitdem hatte es keine Könige von Schottland mehr auf dem alten Thron in Edinburgh gegeben. »Wird er wirklich zurückkommen?«, fragte sie.
»Aye. Er wird seinen Fuß auf schottischen Boden setzen«, versprach Moray. »Und ich werde dafür sorgen, dass ihn das nicht das Leben kostet.«
Sie hätte gern mehr über den Hof in Saint-Germain erfahren, doch plötzlich schaute Moray aufs Meer hinaus und brachte den Wallach zum Stehen.
»Was ist?«, fragte Sophia und hielt ebenfalls an.
Das, was John Moray gesehen hatte, würde ich erst später zu Papier bringen können, weil das Mittagessen bei Jimmy Keith wartete. Widerstrebend speicherte ich den Text ab und fuhr den Computer herunter.
Elf
Schon bei meinem ersten Klopfen begann Angus laut zu bellen und hörte nicht mehr auf, bis Jimmy die Tür öffnete und mich mit einem breiten Lächeln willkommen hieß. »Aye, aye. Reinspaziert, junge Frau, und keine Angst vor dem Hund, das ist bloß der gute alte Angus. Der beißt nicht. Geben Sie mir Jacke und Schirm, dann hänge ich alles
Weitere Kostenlose Bücher