Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
zum Trocknen auf.«
Was für ein angenehmes Gefühl, aus Nebel und Regen in den freundlichen schmalen Flur mit der gelben Tapete zu treten! Mich empfing der Geruch von Rinderbraten, und sofort fing mein Magen zu knurren an.
Als Angus mich erkannte, drückte er sich schwanzwedelnd gegen meine Beine. Zur Begrüßung kraulte ich ihn hinter den Ohren.
»Lust auf einen kleinen Sherry?«, fragte Jimmy. »Meine Frau mochte sonntags immer gern ein Gläschen vor dem Mittagessen.«
»Ja, gern.«
Auf dem Weg ins Wohnzimmer atmete ich tief durch, weil die Aussicht auf meine erste Begegnung mit Graham nach dem Kuss mich nervös machte.
Wohlerzogen wie sein Vater erhob er sich, als ich das Wohnzimmer betrat. Sofort wurde ich ruhiger.
Erst als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte, bemerkte ich die andere Person im Raum – Stuart, der mich mit einem nach Bier riechenden Wangenküsschen begrüßte. »Sehen Sie? Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass ich nicht lange weg sein würde.« Die Hand immer noch auf meiner Schulter, fügte er hinzu: »Graham, das ist Carrie. Carrie: Mein Bruder Graham.«
Erst Grahams Händedruck löste mich aus meiner Erstarrung, und ich ging höflich, aber bestimmt zu dem Sessel neben ihm. Jimmy, der mir ein Glas mit trockenem Sherry reichte, bedachte mich mit einem Lächeln.
»Danke«, sagte ich. »Es riecht köstlich hier.«
»Warten Sie mit dem Lob bis nach dem Essen.«
»Deshalb sorgt er immer dafür, dass wir vorher was trinken«, erklärte Stuart und hielt sein halb leeres Glas Ale hoch. Ungeachtet meines Manövers mit den Sesseln setzte er sich mir gegenüber und streckte die Beine aus. Angus rückte widerwillig ein Stück zur Seite.
»Nun«, erkundigte sich Stuart mit fröhlicher Stimme, »wie sind Sie diese Woche ohne mich zurechtgekommen?«
»Ach, ganz gut.«
»Sie war in Edinburgh«, informierte Jimmy ihn.
Ich spürte Grahams Blick auf mir, als Stuart fragte: »In Edinburgh? Warum denn das?«
»Wegen Recherchen.«
»Aye«, bestätigte Jimmy. »Sie war die ganze Woche weg, ist erst Freitagabend wiedergekommen. Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Eine junge Frau in der Nacht allein unterwegs ist nie gut. Warum haben Sie denn nicht bis zum Morgen gewartet?«
»Weil ich Sehnsucht nach dem Cottage hatte«, log ich.
»Waren Ihre Recherchen erfolgreich?«, erkundigte sich Graham.
»Ja, ich habe eine ganze Menge herausgefunden.« Ich erzählte ihm von den Hamilton-Briefen.
»Und wer war der Duke of Hamilton?«, wollte Stuart wissen und lehnte sich in seinen Sessel zurück.
»James Douglas«, antwortete Graham, »der vierte Duke of Hamilton.«
»Ach, der. Natürlich«, sagte sein Bruder und verdrehte die Augen.
»Nun führ dich nicht so auf«, schalt ihn Graham grinsend.
»Tja, wir gehen nicht alle mit Geschichtsbüchern ins Bett.«
»Der Duke of Hamilton«, erklärte Graham geduldig, »gehörte zu den wichtigsten Männern Schottlands Anfang des achtzehnten Jahrhunderts. Er war Patriot und befand sich in der Erbfolgelinie für den schottischen Thron. Manche Protestanten hielten ihn für einen besseren Kandidaten als die Stuarts im Exil.«
»Aye, jeder wäre besser gewesen als die Stuarts«, provozierte sein Bruder ihn und hob das Glas.
Graham ignorierte ihn und fragte mich: »Hat er in Ihrem Buch eine große Rolle?«
»Der Duke? Ja, im Hintergrund. Bis jetzt spielt sich die Geschichte hauptsächlich in und um Slains ab, aber am Anfang gibt es eine Szene, in der er meine Heldin in Edinburgh kennenlernt. Und natürlich haben meine Figuren alle ihre Meinung über den Duke und die Union.«
»Ähnlich wie die Historiker, die sich mit dieser Zeit beschäftigen.«
»Wovon redet ihr? Was für eine Union?«, mischte sich Stuart ein und leerte sein Glas.
»Haben Sie Nachsicht mit meinem Bruder. Sein Wissen um die Geschichte unseres Landes beginnt und endet bei Braveheart .«
Stuart gab sich alle Mühe, beleidigt zu wirken, doch es wollte ihm nicht glücken. »Tja, dann klär mich mal auf«, sagte er.
»Robert the Bruce kommt in Braveheart vor, also kennst du den wahrscheinlich«, begann Graham.
»Aye, der König von Schottland.«
»Seine Tochter heiratete den High Steward des königlichen Hofes, und daraus entstand die Stuart-Linie mit zwei Roberts und einer ganzen Menge James, bevor schließlich Mary, Queen of Scots, auf den Thron kam. Von der hast du doch schon gehört, oder?«
»Nettes Mädchen, schlechte Ehen«, meinte Stuart.
»Marys Sohn James wurde Nachfolger von
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