Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
Tage lang von der Küste fernzuhalten, die Signale für den Fall, dass er dem französischen Schiff begegnete, die Tatsache, dass Captain Hamilton argwöhnisch würde, wenn dieses sich zu lange in schottischen Gewässern aufhielte. Sogar Captain Gordons Aussage, dass er möglicherweise bald aus der Marine ausscheiden müsse, weil er nicht bereit sei, den Eid gegen King James zu schwören.
Ich las den Text mit dem gleichen surrealen Gefühl, das ich in Edinburgh bei Mr. Halls Brief verspürt hatte, weil mir dieses Dokument mit Sicherheit noch nie untergekommen war.
»Verdammt.«
Ich hatte wirklich geglaubt, mir diese Szene mit dem Captain ausgedacht zu haben, um die Handlung komplexer zu gestalten, war sogar stolz darauf gewesen.
Hatte Dr. Weir recht? Hielt sich mein Einfluss auf die Geschichte möglicherweise tatsächlich in Grenzen, und ich konnte letztlich nur die Wahrheit zu Papier bringen?
Ich löschte die wenigen unbeholfenen Zeilen, die ich mir abgerungen hatte, und schloss die Augen.
»Na schön«, sagte ich. »Was also soll ich schreiben?«
8
»Hast du zufällig Monsieur de Ligondez gesehen, meine Liebe?«, fragte die Countess Sophia, als diese an der Tür zu ihren privaten Gemächern vorbeikam.
Monsieur de Ligondez war der Kapitän des französischen Schiffs Audacious , das er nach seiner Rückkehr von Norwegen so unauffällig die Küste entlang gelenkt hatte, dass man es in Slains erst bemerkte, als das Boot mit dem Kapitän schon fast das Ufer erreichte. Der Earl, der noch im Bett gelegen hatte, kleidete sich hastig an und nahm seinen Morgentrunk.
Sophia, die schon eine ganze Weile auf den Beinen war, wusste, wo sich der Kapitän des französischen Schiffs aufhielt. »Ich glaube, er ist mit Mr. Moray im Garten«, antwortete sie der Countess.
»Würdest du ihm bitte ausrichten, dass mein Sohn und ich jetzt bereit sind, ihn zu empfangen?«
Sophia zögerte. Nach Billy Wicks Annäherungsversuch wollte sie nicht wieder in den Garten, aber sie konnte der Countess den Wunsch kaum abschlagen. Also versprach sie mit tapfer vorgerecktem Kinn: »Ja, natürlich.«
Singvögel begrüßten sie mit lautem Zwitschern, das bedeutend fröhlicher klang als die Schreie der Möwen, die hoch über den Klippen jenseits der Gartenmauer ihre Kreise zogen. Mit der Schulter streifte sie eine Ranke, aus der ein süßlicher, ihr unbekannter Duft aufstieg, und ihr Rocksaum berührte die Glockenblumen am Boden.
De Ligondez und Moray unterhielten sich nicht weit von ihr entfernt. Als sie auf sie zutrat, hörte sie plötzlich schwere Schritte auf dem Pfad hinter sich.
Diesmal würde sie sich nicht von Billy Wick einschüchtern lassen. Ohne sich umzublicken, hastete sie zu Monsieur de Ligondez und Moray.
Der Kapitän des französischen Schiffs verstummte mitten im Satz, und Moray sah zuerst Sophia, dann den Gärtner hinter ihr an, der daraufhin den Weg zum Brauhaus einschlug.
»Die Countess schickt mich«, erklärte Sophia, als sie merkte, wie sich Morays Augen verengten.
»Ach.«
»Ich soll Monsieur de Ligondez bestellen, dass der Earl of Erroll und seine Mutter jetzt bereit sind, ihn zu empfangen.«
Moray übersetzte dem Franzosen die Botschaft, der sich mit einer tiefen Verbeugung verabschiedete.
Moray machte keine Anstalten, ihm zu folgen. »Heute ist ein wunderschöner Tag«, bemerkte er mit einem Blinzeln in Richtung Himmel.
»Das stimmt«, pflichtete sie ihm bei.
»Haben Sie schon gefrühstückt?«
»Ja, Sir.«
»Dann machen Sie doch einen Spaziergang mit mir.«
Das klang weniger nach einer Einladung als nach einer Herausforderung, und er bot ihr auch nicht den Arm an, sondern drehte sich, die Hand fest auf dem Schwertgriff, so, dass sein Ellbogen ein wenig vom Körper abstand.
Sie überlegte. Im Leben gab es immer wesentliche Augenblicke, und dies war einer. Wenn sie Moray nicht begleitete, würde ihre Welt sich nicht spürbar verändern. Wenn doch, konnte sie sich vorstellen, wohin das führen würde. Plötzlich erwachte die Abenteuerlust ihres Vaters in ihr.
Sie legte die Hand auf Morays Ellbogen.
»Und wo soll es hingehen?«, fragte sie.
»Weg von hier.«
Der Garten, in dem er wie ein Bär hinter Gittern wirkte, schien ihn zu beengen. Schon bald ließen sie ihn hinter sich und erreichten die grasbewachsene Klippe, die zur Ortschaft und zum rosafarbenen Sandstrand hin abfiel.
Weil es noch früh am Tag war, begegneten sie niemandem. Wahrscheinlich lagen alle noch im Bett. »Haben
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