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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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daß in den Schützenhaus-Lichtspielen, die wiederholt durch Abweichungen von der neuen Linie und durch Ignoranz – um ein schlimmeres Wort zu vermeiden – aufgefallen seien, dem deutschen Volk von einem mißliebigen Autor im Film Belehrungen erteilt würden. Belehrungen, deren soziale und sexualethischeHaltung dem Lebensstil des deutschen Nationalsozialismus von Grund auf widersprechend sei.
    Wie erwartet, erschien Sachwalter Timm und legte Joachim nahe, »Hitlerjunge Quex« in den Spielplan einzubauen. Der Van-de-Velde-Film sei zwar von der Zensur freigegeben, jedoch sei das Jahre her. Er, Sachwalter Timm, müsse sich wundern, daß dieser abgeklapperte und geschmacklose Film, den die Welt längst vergessen habe, nun in unserem Theater gezeigt würde. Er als Sachwalter erwarte, daß durch die Aufnahme von »Hitlerjunge Quex« dieser Fehler, dieser Verstoß gegen Geschmack und gute Sitten korrigiert werde: »Sie haben eine Schlappe auszubügeln«, sagte Herr Timm.
    Mein Bruder arrangierte ein Heinrich-George-Festival, das Wort existierte damals noch nicht, es hieß Heinrich-George-Filmtage. Im Quex-Film spielt George den kommunistischen Vater des Helden. Es war eine alte Kopie, Filmregen, Tonausfall, zweimal riß der Streifen. Hinterher war die Gaststube überfüllt, die Zuschauer reagierten sich bei Molle mit Korn ab. Die meisten schimpften.
    Wie würde es weitergehen? Joachims Optimismus mochte, konnte ich nicht teilen.
    Was hielt mich?
    Ich legte mich ins Bett. Die Zimmertür stand offen, auch Anneli hatte ihre Tür aufgelassen. Laura war bei ihr, die Mädchen schwatzten. Ich hörte ihre Stimmen. Sie schwatzten stundenlang. Mit dem Speiseaufzug hatten sie sich flotte Lolas heraufgeholt, Weiße mit Erdbeer. Die zutzelten sie mit Strohhalmen aus. Ich wußte es, weil Laura in mein Zimmer gekommen war und gefragt hatte, ob ich ebenfalls eine flotte Lola wolle und ob mit Strohhalm oder ohne. Ich hatte abgelehnt, flotte Lola gehört nicht zu meinen Lieblingsgetränken.
    Die Mädchen kicherten, es war wie damals, als sie mit Puppen spielten.
    Ich stellte mir vor, wie es sein würde, wenn Laura mit Onkel Rudolph verheiratet war. Einem Mann, der so viel älter war als sie. Dazu mit einem Lungenschaden. Sie hatten, davon war dieRede beim Abendbrot gewesen, einen Dispens bei der Gesundheitsbehörde beantragen müssen. Schließlich war die Erlaubnis zur Eheschließung erteilt worden.
    Tante Frieda? Wie fand Tante Frieda, daß Laura Onkel Rudolph heiratete? Wir konnten sie nicht befragen, sie wurde erst zur Hochzeit erwartet, die im Schützenhaus gefeiert werden sollte.
    Dort drüben in ihrem Zimmer saß Anneli wahrscheinlich stocksteif am Tisch, das Glas erhoben, ihr Ledergestell verhinderte, daß sie sich beim Trinken vorbeugte. Plötzlich schlug mein Herz schneller. Hatte ich mir je vorgestellt, wie es wäre, wenn Anneli einmal heiraten würde? Genügend Männer umschwärmten sie, im Reitverein, wußte ich aus Annelis Mund, hatten etliche Kavalleristen es auf sie abgesehen. Anneli hatte es lachend erzählt.
    Wie aber, wenn sie einem Antrag nachgeben würde? Ich mochte mir nicht vorstellen, wie sie in den Armen eines dieser Pferdefreunde lag. Vielleicht nicht mehr bei uns lebte? Mit uns zusammen, hier, im Schützenhaus?
    Hieß das nicht: mit mir zusammen? Konnte ich mir vorstellen, daß ich hier leben würde ohne Anneli?
    »Wie wenig kennt man sich selbst«, hatte einmal Hubert, der Bierfahrer, gesagt, mit Staunen Hannemanns Entwicklung beobachtend. Hubert hatte damit gemeint, daß er niemals mit einem Sproß gerechnet hätte, dessen Lebensstil seine, Huberts, Geduld im Übermaß in Anspruch nehmen würde, für einen geduldigen Menschen hatte Hubert sich vorher nicht gehalten. Wieweit kannte ich mich? War ich – und der Gedanke erschreckte mich und war zugleich unendlich süß – Annelis wegen in die Filmgesellschaft eingetreten?
    Es war spät. Die Stimmen der Mädchen wurden leiser. Laura tapste über den Flur, kam an mein Bett. Beugte sich über mich. Sie war im Nachthemd, einem duftigen Etwas, das sie wahrscheinlich im Hinblick auf Onkel Rudolph angeschafft hatte.
    »Du schläfst nicht?« flüsterte sie. »Oller Dussel. Geh rüberzu Anneli. Mach schon.« Sie zog mich am Arm. »Ich schlafe hier. In deinem Bett.«
    Anneli lag im Schein der Nachttischlampe, bis zu dem Lederkoller zugedeckt, das mich an Abbildungen des Ritters Hütten erinnerte, wie er zu Luther sagte: »Mönchlein, Mönchlein, du gehest einen schweren

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