Das Schützenhaus
pickte sie auf dem Weg von derS-Bahn auf. Das Auto hatte, wenn Lydia drin saß, Schlagseite nach rechts.
Tante Deli verschloß sich dem Förderungsprogramm für Lydia. »Himmel! Dieser Trampel!« sagte sie. »Man läßt sie Kartoffeln schälen, was kommt dabei raus? Die Kartoffeln mußte mit der Lupe suchen, die Schalen so dick wie Elefantenhaut. Kind, was meinste, wo wir leben? Im Schlaraffijenland?«
Lydia errötete. Mein Vater korrigierte: »Schlaraffenland.«
»Vielen Dank«, fuhr Tante Deli fort. »Ich weiß, daß du alles immer genau weißt. Also, ich lasse den Trampel Marmelade einkochen – steh nich rum. Worauf warteste? Schrubb die Töpfe! Oder tu irgendwas Vernünftiges. Wo war ich, ach ja. Ich denke, sie ist vom Land, kann Marmelade einkochen, was seh’ ich? Sie pantscht Wasser in die Marmelade. Kind, sage ich, wo hast du das gelernt? ›Bei meiner Omi‹, sagt sie, ›die nimmt Wasser. ‹ Ich bringe ihr bei, wie sie das machen soll. Sie schöpft den Schaum ab, wie es sich gehört, ich bin beruhigt. Dann sehe ich, wie sie runde Blättchen ausschneidet, das Butterbrotpapier zerschnippelt, das ist für die Schulbrote von den Kindern. Ich sage, Mensch, was machste da? Das ist das Butterbrotpapier für die Kinder ihre Klappstullen. Sie sagt, das taucht sie in Schnaps und legt’s auf die Konfi – na, Konfitüre hat se nich jesagt. Auf die Marmelade, hat sie jesagt, dann schimmelt die nich. Ich sage, biste plemplem? Bei uns kommt die Konfitüre, also die Marmelade, in den Eiskeller, da schimmelt se ooch nich.«
In der Küche gab es einen Krach, als ob sie in einer Militärkapelle die Tschinellen zusammenhauen und der Neger Herr Wilson zusätzlich die Kesselpauken bearbeitet. Es war aber nichts Schlimmes. Lydia hatte einen Topf fallen lassen. Einen von den Eisentöpfen, die auf dem Herd in die Ringe passen.
Wir hatten schulfrei. Ferienbeginn. Lauerten in der Gaststube herum. »Schafft die Töle aus dem Weg«, rief Tante Deli, »muß ich über die verdammte Töle stolpern?« Anneli rief: »Zeppelin!« Der Hund war nun älter, mochte nicht nach draußen. Er verkroch sich unter dem Tisch. Ich streifte die Schuheab und stellte meine Füße auf Zeppelins Fell. Auf dem Tisch hatte ich ein Buch über Lilienthal aufgeschlagen. Ich las gerade, wie er in die Rathenower Berge fuhr, am Tag seines Unglücksfluges. Er wäre nicht tödlich verunglückt, wenn er an seinem Gleiter den Aufprallbügel angebracht hätte, der den Aufprall gemildert hätte.
Ich las das mit Spannung. Joachim war nicht im Zimmer, er bastelte an seinen Projektoren. Die Projektoren waren ein weiterer Stein des Anstoßes, neben Lydia. Wir hatten die Bauaufsicht auf dem Hals, die Feuerwehr. Einer kam, ein kleiner Dicker in blauer Uniform, heute würde man sagen, er sah aus wie der Igel Mecki aus den Bilderbüchern, damals war Mecki noch nicht erfunden. Dieser Igelmensch mit seinem in den Nacken reichenden Bürstenhaarschnitt und einer Nase, deren Spitze ein Kartöffelchen bildete, überwachte die Brandschutzmaßnahmen.
»Gestatten, Puvogel«, sagte er und steckte sich die Mütze vorne zwischen zwei Knöpfe, die er offengelassen hatte.
Puvogel erklärte, er habe eine eigene Entflammungstabelle entwickelt, Index eins bis hundert. »Die ist deutlicher als die offiziellen Tabellen.«
»Einen Kümmel?« fragte Robinson Krause.
»Ja, gerne. Einen Doppelten.«
Der Index für Wasser sei Null, erklärte Puvogel weiter. Deshalb nehme man Wasser zum Löschen. »Würden Sie denken, daß Seife brennt?«
Wir schüttelten den Kopf.
»Sie brennt«, sagte Puvogel, seine Augen leuchteten. »Der Fettgehalt der Seife wird in meiner Tabelle berücksichtigt. Entflammungsindex zwei. Nicht sehr gefährlich. Neben einer Seife darf geraucht werden.« Puvogel lachte als einziger über seinen Witz.
Wir waren sauer. Die Feuerschutzmaßnahmen waren lästig und kosteten Geld. »Wenn ich das geahnt hätte«, sagte mein Vater jedesmal, wenn es an neue Geldausgaben für Joachims Flohkino ging.
Puvogel erklärte, daß auf der anderen Seite der Tabelle die am leichtesten entflammbaren Stoffe rangierten: »Stroh. Logisch. Was aber hält die Tabellenspitze?«
Wir sahen ihn fragend an.
»Nitrofilm«, sagte Puvogel. »Das Gefährlichste ist Nitrofilm. Und Sie mit Ihrem Holzbau! Haben Sie sich das nicht vorher überlegt?«
Wir hatten nicht. Jetzt mauerte Herr Kändler, ein Regimentskamerad, eine feste Zelle, in der die Maschinen untergebracht werden sollten.
Puvogel kam
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