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Das Schützenhaus

Das Schützenhaus

Titel: Das Schützenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Puvogel. »Jedoch. Kannst du mir erklären, aus was für einem Material diese Treppe ist?«
    »Holz. Buche.«
    »Buchenholz!« Verstört setzte Puvogel seine Mütze auf. »Soll ich dir mitteilen, was Buchenholz auf meiner Liste füreinen Entflammungsfaktor hat?« Er zog ein zusammengelegtes Papier aus der linken Innentasche seines Uniformrocks und entfaltete es, nachdem er seinen Finger angefeuchtet hatte. »Dreiundsiebzig«, sagte er. »Klar?«
    Joachim sagte: »Dazwischen ist die Eisentür.«
    Puvogel schüttelte den Igelkopf. »Das macht nichts, junger Mann, das macht nichts. Türen bleiben offen. Das kennt man, wie? Ein Luftzug, und die Chose brennt. Dies liebe kleine Treppchen brennt, diese hübsche Tischlerarbeit, ich kann es beurteilen. Die Flammen fressen sich fort, ein Balken glimmt, das Haus steht in Flammen. Wir kommen. Zwei C-Rohre, auf den Brandherd gerichtet. Aber, mein Lieber, das Kino ist hin. Und die Versicherung zahlt nichts. Warum? Weil hier das süße, kleine Treppchen aus Holz war.«
    Er steckte seine Liste ein. »Ich komme wieder. Dann will ich hier ’ne Eisentreppe sehen.«
    Die Premiere wurde um eine Woche verschoben. Wir mußten die Plakate ändern, die wir überall aufhängen wollten, in der Laubenkolonie, bei der S-Bahn und in Geschäften: »Neueröffnung! Schützenhaus-Lichtspiele! Kino und Wirtsgarten. Premiere am …, neunzehn Uhr. Bouletten. Soleier. Schultheiß-Bier.«
    Die letzte Zeile hatte die Brauerei bezahlt, als Reklame. Wir wollten noch Gilka-Rum drankriegen, aber die weigerten sich. Unser Umsatz in Rum-Verschnitt, sagten sie, sei zu gering. Doch handelte Lehmann bei einem Drucker, den er kannte, einen Sonderpreis heraus. »Im Einkauf liegt der Segen«, sagte Lehmann.
    Die Premiere war ein Erfolg, wenn man davon absieht, daß Wilfried und seine Blase Bierflaschen in den Saal schleppten. Als Wegener in der Golem-Rolle auftrat, randalierten sie. Der Saal war voll, viele hatten ihre Kinder mitgebracht, damit hatten wir gerechnet. Bei den Kindern kam »Dick und Doof« am besten an. Solche Filme kannten sie vom Heli und auch von unserm Kinderkino im kleinen Saal her. Manche Kinder, die Mädchen mit Zöpfen, die Jungen mit Glatze mit Vorgarten, Kahlkopf,wo nur vorne ein Pony stehenbleibt, zählten zu unserer Stammkundschaft.
    Werner hatte das Klavier herüberschaffen lassen. Er klimperte alles durcheinander, wie es ihm zu den einzelnen Szenen passend dünkte. Ein bißchen Ungarische Rhapsodie, dann Paul Lincke, was er so aus »Frau Luna« zusammenbekam, Noten hatte er nicht. Zwischendurch erklärte er einzelne Szenen. Ich saß hinten im Saal, hörte ihn sagen: »Nun fuhr die Kutsche davon, und wenn sie nicht gestorben sind, so werden sie doch eines Tages Kunde von Grieneisen.«
    Solche Scherze hatte er voll drauf, der Werner. Wenn er Durst bekam, intonierte er: »Noch ’n Bier – für Herrn Spiehr – am Klavier!« Robinson rannte gebückt durch den Saal und kredenzte Werner ein frisches Bier.
    Einmal, als eine Dame auf der Leinwand am nächtlichen Horizont verschwand, kommentierte Werner: »Auf dem mondbeschienenen Hügel legt sie sich nieder und findet das unbekannte Glück in ihrer Mitte.«
    Das Publikum seufzte, nur ein paar Kinder lachten. Dann zerstörte der betrunkene Wilfried die Stimmung, indem er rief: »Se läßt sich verkasematuckeln!«
    Werner ging geschickt darauf ein und intonierte: »Glühwürmchen, Glühwürmchen, schimmre!« Er hatte die Lacher auf seiner Seite.
    Mit seiner selbstkomponierten Bier-Klavier-Melodie wurde Werner später berühmt.
    Nach dem Kino blieben viele da und tranken in der Gaststube. Manche brachten ihre Kinder ins Bett und kamen wieder. Lehmann, der mit Kitty an dem bedeutenden Ereignis teilgenommen hatte, spendierte eine Lokalrunde.
    Joachim flüsterte mir zu: »Hab’ ich recht, wenn ich behaupte, daß mich die Penne keinen Sechser mehr interessiert?«
    Ich nickte. Und haute meinem Bruder auf die Schulter. Seine Brille wackelte.
    Anneli trank an diesem Abend mindestens zwei Liter Faßbrause und machte in der Nacht ins Bett.
    So voll wie bei der Premiere bekamen wir danach den Saal selten wieder. Aber wir stellten, mit L.-L.s Hilfe, neue Familienprogramme zusammen. Bespielten den Saal mittwochs, freitags und sonnabends. Manchmal veranstalteten wir eine Matinee am Sonntagvormittag, Charlie mit Kulturfilm gemischt und ein bißchen Märchenfilm.
    »War’n Se schon im Schü-Li?« fragten die Leute einander. Joachim, mit dem vergeblichen

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