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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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ihm bis ans Ende zu folgen.
In ein paar Tagen würde sie die »Wegmarken der Ewigkeit« enträtseln. Dann die nächsten Etappen.
Bis hin zu IHM.
Auch beglückwünschte er sich – wenngleich in geringerem Maß – zu dem reibungslos funktionierenden Kommunikationssystem, das er sich hatte einfallen lassen. Es gab keinerlei Schwierigkeiten bei der Benutzung des MiniOrganizers. Zuerst hatte er daran gedacht, ihn an ein Handy anzuschließen, doch die Wärter waren wie Bluthunde hinter Mobiltelefonen her. Deshalb war er auf seine ursprüngliche Idee zurückgekommen: die Drähte der internen Telefonleitung in der Krankenstation freizulegen und in diesem Kabelgewirr die externen Leitungen zu suchen, an die er seinen Apparat anschließen konnte. Auf diese Weise sandte er über Verbindungen, die offiziell gar nicht existierten, unbemerkt Nachrichten nach draußen.
Bei dem großen Internet-Provider Wanadoo hatte er ein kostenloses Mail-Konto eingerichtet. Niemand außer Elisabeth kannte seine Adresse. In diesem Netz mit Millionen von Teilnehmern konnte er vollkommen anonym Mails verschicken und empfangen. Eine kleine Romantik, heimlich, virtuell und deshalb völlig unsichtbar.
Noch immer versuchten die Gefangenen den Ball in improvisierte Tore zu schießen. Sie grölten und brüllten auf Malaiisch, Chinesisch und Englisch: ein Brei von Sprachen, der zu ihrer geistigen Beschränktheit passte. Im Gegensatz dazu schienen ihm seine Gedanken und Wünsche von erlesener Reinheit.
Er ließ seinen Gedanken freien Lauf und beschwor eine andere Erinnerung herauf: an einen Schwarz-Weiß-Film, den er als Jugendlicher im Filmarchiv von Marseille gesehen hatte. Pickpocket von Robert Bresson. Die Geschichte eines Mannes, der sich über das Gesetz stellt. Verbrechen werden normalerweise als verabscheuungswürdige, verheimlichte, aus niedrigen Beweggründen begangene Delikte dargestellt. In diesem Film hingegen ist der Werdegang des Diebs eine erhabene, transzendente Suche, ein Weg zur Erlösung. Jacques war auf Anhieb klar gewesen, dass dies auch sein Schicksal war. Bis auf den heutigen Tag war die Übereinstimmung frappierend.
Auch in Bressons Film begegnet der Dieb zufällig einer Frau und erkennt nicht sofort die Geliebte in ihr, sondern folgt stur seinem einsamen Weg. Erst in der letzten Szene, als er schon im Gefängnis sitzt, flüstert er seiner Gefährtin durch das Gitter im Besuchszimmer zu: »Ach Jeanne, was für einen Umweg habe ich gehen müssen, um zu dir zu finden …«
Reverdi zog Elisabeths Foto aus der Tasche und sagte zu sich:
»Was für einen Umweg habe ich gehen müssen, um bis zu dir zu finden.«
Er merkte, dass er laut gesprochen hatte, und bereute diese Schwäche sofort. Kein Gedanke durfte jemals die Schwelle seiner Lippen überschreiten. Seine geheime Welt war wie eine prähistorische Felshöhle, deren Wandzeichnungen sich augenblicklich zersetzten, wenn Tageslicht darauf fiel.
Neben ihm knarrte die Bank, Éric hatte sich zu ihm gesetzt. Reverdi steckte das Foto ein.
»Ich muss mit dir sprechen.«
Jacques dachte an den Schwarzhandel mit Medikamenten, den er jetzt, seitdem er auf der Krankenstation arbeitete, auf eigene Rechnung betrieb.
»Geht’s um die Kohle? Keine Sorge, du kriegst deinen Anteil.«
»Fein. Aber ich muss über was anderes mit dir reden.«
»Nämlich?«
»Raman.«
Jacques seufzte. Alle Gespräche drehten sich immer wieder um dasselbe, den perversen Chef des Wachpersonals. Er war der Dämon, der alle peinigte.
»Was ist denn jetzt schon wieder los?«
Éric setzte eine Verschwörermiene auf und rückte näher. Sein konkaves Gesicht sah aus, als wären ihm die Knochen mit Hammerschlägen eingedrückt worden.
»Es heißt, er hat Aids.«
»Vor einem Monat hatten alle Chinesen SARS.«
»Das ist kein Scheiß, Reverdi. Er ist getestet worden, wie wir alle. Das Ergebnis war positiv. Jetzt steckt er sie alle an.«
»Wen?«
»Die Jungs aus Block E. Die Minderjährigen.«
Reverdi seufzte wieder. In Kanara schien alle Welt überzeugt, dass er, der »große Jacques«, der Einzige sei, der es sich leisten konnte, sich gegen Raman zu wehren. Unwillkürlich dachte er an Elisabeth. Keinen Finger würde er rühren, um keinen Preis. Er musste ein vorbildlicher Gefangener bleiben und im Geist bei seiner Geliebten weilen.
»Was geht das mich an!«
»Das sind junge Burschen, Jacques. Er zwingt sie, ihm einen zu blasen. Er fickt sie ohne Kondom. Der Dreckskerl bringt sie alle um.«
»Da kann ich nichts machen.«
Éric beugte

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