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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Bedeutung an, die ich noch von mir fern halte. Zwei Silben, die auszusprechen ich mich weigere. Denn, du weißt es, sie könnten unwiderrufliche Konsequenzen haben. Du bist die Frau, die ich gewählt habe. Meine Erwählte. Ich gewähre dir noch einen Aufschub …Mark überflog den Rest und las nur den Schlusssatz: … Du kannst mir noch an meine Mailadresse schreiben. Tu es rasch, bevor es zu spät ist. Denn das wollen wir beide nicht, du nicht und ich nicht.
    Er verzichtete darauf, die Briefe jüngeren Datums zu lesen. Zitternd blickte er sich um. Passanten, Autos, Geschäfte … das alles nahm er nur verschwommen, wie aus einem Aquarium heraus wahr. Dieser gewohnten Welt gehörte er nicht mehr an. Fortan trug er ein rotes Mal, das ihn ausschloss – und verdammte.
    Er lehnte sich an eine Hauswand und rief sich zur Ordnung. War denn etwas geschehen, das er nicht vorhergesehen hätte? Nein. Hatte er diesen Zorn nicht tausendmal in Gedanken vorweggenommen? Wovor fürchtete er sich? Schrieb er JacquesReverdi wieder übernatürliche Kräfte zu? Was konnte er denn ausrichten, wenn er hinter Schloss und Riegel saß? Zumal er ja von der Existenz eines Mark Dupeyrat gar nichts ahnte …In ein paar Wochen wäre der Feind verurteilt und hingerichtet. Und der Fall abgeschlossen.
    Diese Überlegung vermochte ihn nicht zu beruhigen. Er presste die Briefe an die Brust. Er musste sie loswerden. Verbrennen. Den Fluch bannen.
KAPITEL 72
    Als das Taxi aus dem Tunnel de la Défense hervorkam, erkannte Mark die Gegend nicht wieder. Er war auf dem falschen Weg. Niemals würde er hier das Brachland aus seiner Kindheit wiederfinden. Nanterre hatte sich völlig verwandelt. Die neuen Gebäude waren so zahlreich und so blitzend, dass sie selbst die Erinnerung an das öde Areal, das er suchte, ausgelöscht hatten.
    »Wohin wollen Sie eigentlich?«»Fahren Sie einfach«, antwortete er dem Fahrer. »Erst mal bis zur Place de La Boule.«
Es war nur so dahingesagt. Er suchte sich die Viertel ins Gedächtnis zu rufen, wie sie gewesen waren: im Norden der große Bereich der Hochhäuser, wo die Gebäude poetische Namen hatten wie »Amselfeld« und »Wolkenturm« … Und im Westen das alte Nanterre mit den dicht gedrängten kleinen Backsteinhäusern. Danach, noch ein Stück weiter, hinter der Präfektur und der Universität, das eigentliche Niemandsland, ein kaputtes Ghetto aus heruntergekommenen Wohnblöcken, müllübersätem Bauland, Schrottplätzen, leer stehenden Fabriken. Dort wollte er hin, in diese Gegend, deren berühmteste Siedlung treffend La Folie hieß, »Der Wahnsinn«.
»Und jetzt?«
Sie waren an der Place de La Boule angelangt. Wo sich früher eine Überführung gespannt hatte, war jetzt ein Kreisverkehr, so flach und ordentlich wie ein öffentlicher Park. Rings umher sah Mark nichts als bläulich verglaste Gebäude, Grünflächen, renovierte Einfamilienhäuser.
»Fahren Sie weiter zum Bahnhof Nanterre-Stadt. Danach sehen wir weiter.«
»Danach kommt die Zone.«
Ja, natürlich. Er war jetzt in der Gegend, in der er aufgewachsen war, in der seine Eltern die Apotheke gehabt hatten. Wie lange war er nicht mehr auf dem Friedhof MontValérien gewesen, wo sie begraben lagen? Wie lange hatte er seine Schwester nicht gesehen? Er hatte sich seiner Familie, seiner Herkunft immer fremd gefühlt. Und doch – an diesem Tag, an dem er das dringende Bedürfnis hatte, die Erde zu spüren, einen versteckten Winkel im Universum zu finden, war seine Wahl auf Nanterre gefallen.
»Fahren Sie den Boulevard de la Seine entlang.«
»Im Ernst?«
»Ja, Richtung Cités Komarov.«
Der Name war ihm unwillkürlich über die Lippen gekommen. Die letzten Hochhäuser vor dem Fluss. Das Taxi fuhr unter der Bahnüberführung hindurch, und mit einem Mal waren sie in einer unvermuteten Gegend: graue Wohnblöcke, Fabriken, Eisenbahnschienen … Mark schöpfte wieder Hoffnung.
»Ich brauche Benzin.«
Der Fahrer warf ihm einen argwöhnischen Blick zu.
»Mein Tank ist leer«, rechtfertigte sich Mark. »Mein Auto steht ganz in der Nähe. Fahren Sie mich zu einer Tanke.«
Das Taxi hielt an einer Tankstelle. Mark kaufte einen Kanister und füllte ihn. In dem Moment brach ein Gewitter los. Eine schwarze Wand stand am Horizont, die Wolken schoben sich ineinander, und wo sie zusammenprallten, zuckten giftig violette Blitze. Mark dachte an die Toteninsel und an den Monsun, der ihn auf seiner letzten Fahrt begleitet hatte. Wieder ein Zeichen, dachte er.
Vom Verkaufsständer neben

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