Das schwarze Blut
Gefängnis von Johor Baharu verlegt, wo ihm der Prozess gemacht werden sollte. In der malaiischen Presse hieß es, die Richter würden wohl nur ein paar Tage brauchen, um ihn an den Galgen zu liefern.
Noch ein weiterer Umstand ließ Mark wieder ruhig schlafen: Khadidscha war endlich aus dem Straßenbild von Paris verschwunden. Die Pressekampagne war vorbei. Aus einer Anwandlung von Vorsicht heraus hatte Mark sich vergewissert, dass Elisabeth Bremen – die echte, deren Pass er immer noch hatte – tatsächlich im Juni die Cité Universitaire verlassen hatte und nicht wieder aufgetaucht war. Auch diese Gefahr war gebannt.
Zu guter Letzt hatte er seinen Rechner weiterverkauft, der nach wie vor auf seinen ersten Besitzer registriert war. Ohne dass Marks Name ein einziges Mal auftauchte, gingen Powerbook und Programme in neue Hände über. Die Vergangenheit war begraben. Jetzt konnte er seinen Erfolg uneingeschränkt genießen und, warum nicht, bereits über einen neuen Roman nachdenken …Lässig steuerte er die Bar an. Das ziemlich abgedrehte Lokal gefiel ihm ausnehmend: Ziegelmauern und Stahl – die Musik hallte hier wie auf dem Grund einer Zinkwanne. Die Luft roch ein wenig nach Algen und Schimmelpilzen, was sicher an der Nähe der Seine lag, die das Fundament umspülte. Tatsächlich ließ einen die Feuchtigkeit frösteln, sobald man den Hitzeradius der Scheinwerfer verließ. Er lächelte: Die Vorstellung, die an eine Atmosphäre wie diese wahrlich nicht gewohnte Prominenz der Verlagswelt ein bisschen aufzumischen, behagte ihm. Und die Musik war so laut, dass man das eigene Wort nicht verstand. Eine gute Methode, um die Leute zum Schweigen zu bringen, Kritik und üble Nachrede im Keim zu ersticken.
Im Zustand der Schwerelosigkeit traf Mark bei der Bar ein.
Khadidscha tauchte in die Menge ein.
Sie kannte den Club und liebte diesen riesigen Suk, in dem ihre Kolleginnen ihre Haut zu Markte trugen. Die einen suchten den »Mann ihres Lebens«, die anderen einen »Geldscheißer«, die dritten einfach nur den »Superschwanz«. In den unterkühlten Räumen des ehemaligen Lagers fand unter Höllenlärm ein endloser Handel mit potenziellen Beziehungen statt.
Auch sie war heute gekommen, um ihr Glück zu versuchen. Sie war sicher, dass sie ihn wiedersehen würde. Zu Beginn des Sommers, als sie von Vincent gehört hatte, dass Mark zurück sei, hatte sie ihm eine Begrüßungsmail geschickt. Sie blieb ohne Antwort. Ein zweites Mal hatte sie Mut gefasst und ihm auf den Anrufbeantworter gesprochen. Mark rührte sich nicht.
Bei einer Fotosession Ende Juli hatte sie sich beiläufig bei Vincent erkundigt und erfahren, dass Mark sich irgendwo im Süden verkrochen hatte, um ein Buch fertig zu schreiben. Was für ein Buch? Vincent wusste nichts Genaues. Egal, die Hauptsache war ja, dass es eine Entschuldigung gab. Es war einfach höhere Gewalt. »Der Künstler« durfte nicht gestört werden.
Jetzt war es also offiziell: Mark Dupeyrat hatte einen Roman geschrieben, der Furore machte. Khadidscha hatte ein hohles Gefühl im Magen bei der Vorstellung, wie sie zu ihm ging und ihm gratulierte. Sie war bereit, ihm zu verzeihen. Seine ruppige Art, sein Schweigen, seine Unhöflichkeit zu vergessen. Und sich nur an eines zu erinnern: wie er das Polaroidfoto von ihr entwendet hatte, damals im Frühjahr … So oft hatte sie sich die Szene in Gedanken vorgespielt, dass die paar Sekunden abgenutzter waren als ihre Videokassetten von den ägyptischen Komödien.
Mit den Ellenbogen bahnte sie sich einen Weg durch das Gedränge. Sie konnte es kaum erwarten, den kleinen Mann wiederzusehen, der sich zum Schriftsteller gemausert hatte. Hatte nicht auch sie sich verändert? Woche für Woche erschien sie auf den Hochglanzseiten der Zeitschriften und stieg auf Podeste. Inzwischen waren ihr sogar mehrere Exklusivverträge für die großen Parfummarken und Kosmetika angeboten worden.
Sie war umgezogen und wohnte jetzt in einer Vierzimmerwohnung – absichtlich im selben Haus, in dem sie drei Jahre ihres Lebens in einer Dienstmädchenkammer eingesperrt gewesen war. Außerdem hatte sie ihren Führerschein gemacht und die Dissertation erst mal auf das nächste Jahr verschoben. Das Geld war da: Man brauchte nur zuzugreifen. Freud und Lévi-Strauss konnten ruhig eine Weile warten.
Ja: Mark und sie hatten es weit gebracht.
Jetzt war der Moment gekommen, dass sie einander wiedersahen – auf dem Zenit.
Aber wo war er bloß?
Mark stand im Hintergrund, bewegte
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