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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Raum war totenstill. Wo war sie? Sie hatte sich doch nicht aus dem Staub gemacht …? Vielleicht war sie in einer Kabine eingenickt – schließlich hatte auch er vorhin auf der Bank geschlafen … »Khadidscha?«
Er stieß die Tür der ersten Kabine auf: leer.
»Khadidscha?«
Auch die nächste Kabine: leer.
Er ging einen Schritt weiter.
Hinter ihm ein Rascheln.
Da ist Jacques Reverdi.
Kurz geschorene Haare. Grauer Regenmantel. Das Klischee eines Bullen.
»Ich …«
Ein dumpfer Stich im Nacken.
Schwärze.
KAPITEL 83
    Wabenzellen.
    Riesige Wabenzellen, keine sechseckigen, sondern ovale, mehrere Meter hoch. Sie bildeten eine Wand aus Stahl – oder Aluminium. Jedenfalls aus einem metallischen Material, das im Licht silbrig schimmerte.
    Mark kämpfte sich aus der Ohnmacht. Er fixierte die Wand vor ihm und erkannte weitere Einzelheiten: Die elliptischen Hohlräume wiederholten sich anscheinend endlos. Dazwischen – am Boden, an der Decke – waren kleinere Kammern, die sich mit derselben hypnotisierenden Regelmäßigkeit aneinander reihten. Sie schienen sich zu bewegen, aber das konnte nur eine optische Täuschung sein, wie in einem Bild von Vasarely.
    Er blinzelte angestrengt und sah jetzt, dass die Wand vor seinen Augen nicht nur zylindrisch war, sondern dass sich auch der Boden unten und die Decke über ihm krümmten. Ich bin in einer Kugel, dachte Mark. Dann erkannte er, dass der Raum nicht vollkommen rund, sondern teilweise abgeflacht war, irgendwie eiförmig. Wie ein Rugbyball aus verchromtem Material, übersät von Hohlräumen. Eine absolut unverständliche Umgebung.
    Und es roch sonderbar, irgendwie süßlich.
»Das ist eine Druckkammer.«
Die Stimme war irgendwo hinter ihm. Mark wollte den Kopfdrehen, aber es ging nicht. Er war auf einem Stuhl festgebunden. Nicht nur sein Körper war fixiert, sondern auch sein Kopf. Nicht festgebunden: festgeklebt. Rücken, Gesäß, Unterarme, Nacken lagen auf einer kalten Metallfläche auf. Er merkte, dass er nackt und an einen Stuhl aus Stahl gefesselt war, der am Boden angeschraubt schien.
»Du bist in einer Druckkammer«, sprach die Stimme weiter. »In einer chemischen Fabrik. Das ist ein absolut hermetischerRaum.«Nach und nach kehrte seine Erinnerung zurück: Khadidschas Verschwinden, die Toiletten auf dem Polizeirevier, Reverdi im Regenmantel, die Injektionsnadel … Wo war Khadidscha?
    Wieder schwanden ihm die Sinne.
    Nach einer Weile erwachte er, und abermals stieg ihm dieser schwere, süßliche Geruch in die Nase.
»Hier werden unter hohem Druck sehr gefährliche Gase gemischt.«
Die Stimme kam näher. Es war dieselbe wie auf der Videoaufnahme aus Ipoh. Tief, beruhigend. Wieder versuchte Mark, den Kopf zu drehen, aber er spürte nur ein Brennen und Ziehen und konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Seine Haare schienen mit dem Metall verschweißt. Weitere Empfindungen machten sich bemerkbar: Sein Körper fühlte sich an wie zerschlagen – als hätte er einen üblen Muskelkater in allen Gliedmaßen.
Hatte Reverdi ihn verprügelt?
»Heute indessen«, fuhr die Stimme fort, »werden wir nur Kohlendioxid einströmen lassen, um die Zeremonie zu beschleunigen.«
Tatsächlich vernahm Mark jetzt auch, zunehmend deutlich, ein leises Zischen – das ausströmende CO 2 . Jacques Reverdi hatte das System in Gang gesetzt. Es konnte nicht mehr lang dauern, bis der Sauerstoff in der Atmosphäre vollständig durch Kohlendioxid verdrängt war.
Der Schweiß brach ihm aus allen Poren: Reverdi wollte eine Kammer der Reinheit aus diesem Raum machen. Binnen Minuten wäre die Atemluft tödlich. Und er, Mark, sollte dem Ritual des schwarzen Blutes unterzogen werden.
Mühsam gelang es ihm, an sich hinabzublicken: Sein Körper war von Einschnitten übersät. Er war nicht geschlagen worden. Sondern zerschnitten, geritzt, aufgeschlitzt … Und die Wunden hatte sein Peiniger nach bewährtem Muster wieder verschlossen – nur um sie dann alle auf einmal aufplatzen zu lassen … Jetzt war ihm auch klar, woher der süßliche Geruch stammte: Das war Honig.
Die Schnitte waren mit Honig bepinselt. Mark verdrehte angestrengt die Augen, bis er das Fläschchen auf dem Boden stehen sah. Daneben ein Pinsel und eine brennende Öllampe. Und dahinter lehnte an der gekrümmten Wand die Druckluftflasche eines Tauchers samt Ventil und Atemregler.
»Khadidscha …«, murmelte er. »Wo ist Khadidscha?«
Jacques Reverdi trat in sein Blickfeld. Er steckte in einem eng anliegenden schwarzen Neoprenanzug, der sich bei

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