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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Tod, seine Demütigung: ich weiß nicht … Eines war mir jedenfalls klar: dass ich auf Blut stehe. Mord macht mich an. Das ist so, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Vor Wut hab ich ihm noch den Stiel der Klobürste in den Mund gerammt. Als ich dann völlig außer mir aus der Kabine kam und mich im Spiegel über dem Waschbecken sah, fiel ich um und war tagelang im Koma. Wie es weiterging, ist die offizielle Version.«
Wieder schnupperte er am Honig. Khadidscha schüttelte ungläubig den Kopf. »Sophie hast du nicht getötet …«
Er grinste. »Doch, sogar hier in diesem Zimmer! Mehr als zwanzig Jahre ist das her …«
Der Abgrund tat sich auf. Khadidscha konzentrierte sich auf das Vorhangmuster, auf den geblümten Bettüberwurf, um an irgendeinem vertrauten, alltäglichen Anblick Halt zu finden, doch es trat das Gegenteil ein – die Muster kamen ihr vor wie ein feindseliger, heimtückischer Insektenschwarm, der sie zu verschlingen drohte.
»Sie wollte sich von mir trennen. Die Reise nach Sizilien war ein Versöhnungsversuch von mir. Aber sie war fest entschlossen. Und eines Abends sagte sie, dass sie einen anderen hatte. Ich bin über sie hergefallen. Habe sie verprügelt, mit den Fäusten traktiert, aber sie hörte nicht auf, mich zu provozieren, trotz ihrer blutunterlaufenen Augen und ihrem blutigen Mund …«
Er lachte und schlug einen ironischen Ton an:
»Dafür hatte sie eine Lektion verdient. Ich hab meine Sportschuhe angezogen und das Zimmer verlassen. Draußen im Gang, in der Putzkammer, fand ich Gummihandschuhe und Scheuerpulver. Damit bin ich zu Sophie zurück und habe ein Elektrokabel blank gelegt. Ich hab sie geknebelt, die Kabeldrähte unter Strom gesetzt und bin ihr damit über die Geschlechtsteile gefahren – überall dort, wo der andere drübergegangen war. Das hat ziemlich lang gedauert. Der menschliche Körper hält allerhand aus … wirklich erstaunlich. Zum Schluss hab ich sie aufgeschlitzt und ihre Innereien auf dem Boden verstreut. Ich wollte ja wissen, was sie im Bauch hatte.
Anschließend habe ich mich gründlich gewaschen und Scheuerpulver in die Handschuhe geschüttet, um meine Fingerabdrücke zu beseitigen. Ich habe alles so gelassen, wie es war, und bin durch die Straßen von Catania geirrt. Ich war im Delirium. Dieser Zustand hat lange angehalten, und als ich zurückkam, hatte ich alles vergessen. Totale Leere! Ist das nicht merkwürdig? Es hatte mich nur eine dumpfe, unaussprechliche Furcht gepackt. Und als ich ins Zimmer kam und die Bescherung sah, die verbrannte, geschändete, ausgeweidete Leiche, verlor ich wieder das Bewusstsein. Diesmal hat das Koma mehrere Wochen gedauert. Als ich aufwachte, war ich in Frankreich und wusste nichts mehr – mir fehlte buchstäblich jede Erinnerung.«
Er stellte das Fläschchen auf die Kommode. Khadidscha hustete: Die Luft war schon ziemlich verbraucht. Das Glockengeläute war jetzt in ihrem Kopf und hämmerte grausam gegen ihre Stirn. Und der süßliche Honiggeruch durchzog das ganze Zimmer.
    Es fing alles wieder von vorn an …
Mark hielt ein brennendes Feuerzeug an den Lampendocht. Die Flamme flackerte unruhig: Auch sie litt unter Sauerstoffmangel.
    »Aber das waren alles nur Versuche«, fuhr er fort. »Jacques hat mir gezeigt, wie es wirklich geht. Ich werde sein Werk jetzt fortsetzen. Das ist wie neu geboren zu werden, Khadidscha.«Er bückte sich, langte unter die Kommode und zog eine winzige Druckluftflasche hervor, an der ein Schlauch und ein Atmungsgerät hingen.
    »Hättest du gedacht, dass es die auch so klein gibt?«, fragte er und richtete sich wieder auf. »Die hab ich unten am Hafen gefunden. Diese Stadt ist wirklich voller Überraschungen.«Mark drehte das Flaschenventil auf, nahm probeweise den Atemregler in den Mund und legte ihn wieder ab. Seine Gesten waren sicher, knapp, präzise. Khadidscha spürte eine beginnende Übelkeit. Sie musste etwas tun, ein Lösung finden! Mitten in der Stadt, in diesem Zimmer, Tausende Menschen ringsum – es musste doch eine Möglichkeit geben, zu fliehen!
    »Warum hast du Michel umgebracht?«, fragte sie heiser. »Er war ein guter Polizist. Zu gut für mein Gefühl. Er misstraute mir. Er wollte ein psychiatrisches Gegengutachten über mich anfertigen lassen. Er hatte sich sogar mit der italienischen Polizei in Verbindung gesetzt und die Akten des Falls Sophie angefordert. Ich konnte ja nicht tatenlos zusehen, das verstehst du sicher: Ich habe ein Lebenswerk fortzusetzen. Also habe ich die Mail

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