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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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ohnehin schon gesagt war. Lieber wechselte er das Thema:
»Hast du meine Bücher?«
Die Frage brachte den Anwalt aus dem Konzept. Nach kurzem Zögern bückte er sich zu der großen Reisetasche, die er neben dem Tisch abgestellt hatte. Reverdi hatte sich entschlossen, dem Chinesen zu vertrauen, und ihm eine Vollmacht für eines seiner Bankkonten erteilt.
Wong-Fat packte mehrere Bücher aus, die er auf dem Tisch stapelte. Jacques las die Buchrücken: der Kanjur, das Yoga Sutra, der Rubî’yat des Sufi Mewlana Rumi.
»Da fehlen welche.«
Der Anwalt zog eine Liste hervor und faltete sie auseinander:
»Die Jerusalemer Bibel. Die Predigten von Meister Eckhart. Die Enneaden von Plotin. Wo, glauben Sie, kriege ich solche Bücher her?«
»Sie sind ins Englische übersetzt.«
Jimmy stopfte seine Liste in die Tasche.
»Was Sie nicht sagen. Ich hab sie ja bestellt, aber sie sind eben noch nicht da.« Er bückte sich wieder zu seiner Reisetasche hinunter. »Wenigstens hab ich eine Hose in Ihrer Größe gefunden.«
Mit zufriedener Miene breitete er die tadellos gefaltete Hose auf den Tisch. Dann setzte er sich endlich und legte die verschränkten Hände darauf.
»Kehren wir zu den ernsten Dingen zurück. Befolgen Sie Ihre Therapie?«
»Meine Therapie?«
»Die Dr. Norman Ihnen verordnet hat: Sie sollen täglich Anxiolytika einnehmen. Ich will wissen, ob Sie sich daran halten. Und ob Sie jeden Mittwoch den Psychiater aus Ipoh treffen, wie es vorgesehen ist. Läuft auf diesem Gebiet alles?«
Jacques dachte an Éric, der seine Tabletten verhökerte; er selbst hatte nie eine genommen. Den Psychoheini aus Ipoh hingegen hatte er nur einmal gesehen und für einen der von Jimmy geschickten Experten gehalten – Tamilen jedes Mal, die immer dieselben nebulösen Fragen stellten.
»Alles bestens.«
»Sehr gut. Die Therapie macht sich sehr gut in Ihrem Profil.«
Reverdi nickte. Wong-Fat hob den Zeigefinger:
»Eine gute Nachricht habe ich allerdings. Die Eltern von Pernille Mosensen haben einen dänischen Anwalt als Prozessbevollmächtigten der Nebenkläger nach Johor Baharu geschickt. Außerdem hat sich eine Vereinigung – von Deutschen, glaube ich – gemeldet: Sie wollen den Fall von Kambodscha wieder aufrollen. Der DPP wird dafür wenig Verständnis haben, glauben Sie mir. Die Anklage ist auf dem besten Weg, sich ihre Sympathien zu verscherzen. Sehr gut für uns.«
Reverdi hörte die immer gleichen Argumente kaum noch. Er beschloss seinen Hanswurst von Anwalt ein wenig aufzuziehen:
»Hast du zu Hause, beim Wichsen, Insekten benutzt?«
»Ich bin hier, um meine Arbeit zu tun. Ich lasse mich von Ihnen nicht …«
»Und wenn du die kleinen Mädchen entjungferst, schaust du dann nach, welche Farbe ihr Blut hat?«
Der Anwalt stieß mit zusammengekniffenen Lippen ein » Well! « hervor und klappte den Aktenkoffer zu. Ein beleidigter Schüler.
»Interessierst du dich nicht mehr für meine Geständnisse?«, fragte Reverdi.
Der Chinese blickte auf. Jacques lächelte ihn freundlich an.
»Was, wenn ich dir sage, dass nicht ich Pernille Mosensen getötet habe?«
»Was?«
»Sondern ein Kind.«
»Was sagen Sie da?«
Reverdi legte beide Hände um die Schultern, als wäre ihm auf einmal kalt. An seinen Handgelenken rasselten die Ketten.
»Das Mauernkind«, flüsterte er. »Das Kind, das in mir ist … das den Atem anhält …«
Wong-Fat beugte sich vor wie ein Priester zum Gitter des Beichtstuhls.
»Sagen Sie das noch mal.«
»Erinnerst du dich an die Pelade, die ich dir gezeigt habe?«
Während er sprach, ließ er den Kopf tief auf seine gekreuzten Arme sinken, um Jimmy den Nacken zu zeigen.
»Weißt du noch, der Schock, von dem ich dir erzählt habe?«
Seine Stimme klang dumpf herauf. »Zur selben Zeit wurde das Mauernkind geboren …« Er presste die Finger an den Schädel.
»Ihm hab ich’s zu verdanken, dass ich ihnen entronnen bin.«
»Entronnen? Wem?«
»Den Gesichtern … hinter dem Rattangeflecht. Den Gesichtern, die in meine Haut eindringen. Was wäre aus mir geworden ohne das Kind …«
»Was denn? Was wäre aus Ihnen geworden?«
Reverdi hob den Kopf und grinste breit.
»Lass. War nur ein Scherz.«
Der Chinese war bleich geworden. Der Aufruhr seiner Gedanken äußerte sich als nervöses Zucken in seinem Gesicht.
»Das ist wirklich allerhand. Sie machen sich über mich lustig. Ich begreife Sie nicht!« Er griff nach seinem Aktenkoffer und seiner Reisetasche. »Ich komme ein andermal wieder.«
Er stand auf. Jacques war enttäuscht: Die kleine

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