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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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nehmen und gemeinsam mit mir unter die Oberfläche zu tauchen, wäre ich bereit, alles zu hören. Mit Ihnen bis ans Ende zu gehen.
    Die zusammengestopselten Worte bedeuteten nichts, und doch nahm Jacques hier einen Beiklang von Aufrichtigkeit wahr. Dieses Mädchen war tatsächlich bereit, sich mit Leib und Seele auf eine Reise in die Dunkelheit einzulassen. Mit seinem Raubtierinstinkt spürte er sogar eine gewisse Doppelzüngigkeit zwischen den Zeilen. Diese weiße Gans war vielleicht gar nicht so unschuldig, wie sie tat.
    Er schnupperte an dem handgeschriebenen Brief und witterte Parfum. Einen Frauenduft. Nein – den Duft eines jungen Mädchens, das Frau spielt. Er wäre jede Wette eingegangen, dass es Chanel war, Nr. 5. Ja, Elisabeth suchte nicht nur das Erschaudern, sie wollte ihn auch entfachen, verführen, ihm beweisen, dass sie bereit war, ihm in seine Höhle zu folgen …Er warf den Brief zu den anderen auf den Boden und betrachtete die Ansammlung von Dummheit, Indiskretion, sprachlichen Fehlern. Schon trottete eine Prozession von Kakerlaken zwischen den Papieren dahin. In dem Moment ging in den Zellen das Licht aus.
    Neun Uhr abends. Jacques schob mit dem Fuß den Briefhaufen von sich und streckte sich an der Wand aus. Sein Zorn war verebbt, die Bitterkeit blieb. Der Tod war ihm egal, doch zum ersten Mal wurde ihm klar, dass er allein war, unverstanden, und dass sein Werk zusammen mit ihm sterben würde.
    Eine dumpfe Ahnung beschlich ihn, das unterschwellige Gefühl, dass ihm irgendeine Kleinigkeit entgangen war. Sie nagte an ihm, irgendwo tief unten, und er konnte nicht sagen, was es war. Er stand auf und griff nach seiner Taschenlampe, die er mit den Zähnen hielt, um die Hände frei zu haben. Er kramte zwischen den Papieren herum und fand endlich den zerknitterten Brief von Elisabeth Bremen. Was war es, das ihm entgangen war?
    Er überflog noch einmal ihre Zeilen, fand aber nichts Neues. Er suchte nach dem Umschlag, blickte hinein: leer. Er untersuchte ihn genau, drehte ihn um und las den Absender auf der Rückseite.
    Elisabeth Bremen hatte ihre Adresse nicht verraten, sondern schrieb postlagernd – sie hatte ein Postamt im 9. Arrondissement von Paris angegeben.
    Das war es, das war das Detail, nach dem er gesucht hatte. Trotz ihrer schönen Worte, trotz ihres Willens, ihm nahe zu kommen, hatte die Studentin Wert auf diese eine Sicherheitsmaßnahme gelegt. Sie hatte Angst. Wie die anderen. Sie streckte dem Raubtier die Hand hin, aber nicht ohne Rückhalt.
    Jacques knipste die Taschenlampe aus und lächelte im Dunkeln vor sich hin.
Das wird ein kleiner Spaß, sagte er sich.
KAPITEL 15
    Mark war sehr stolz auf seinen Brief.
    Mit großer Sorgfalt hatte er ihn entworfen, ausgearbeitet und so lange daran gefeilt, bis er rundum zufrieden war: Jedes Wort darin war das Ergebnis langen, gründlichen Abwägens.
    Mark verfolgte eine Strategie: Mit einem Mörder dieses Kalibers kamen Tricks nicht infrage, einen wie ihn konnte man nicht auf Umwegen aushorchen. Jacques Reverdi war ein Mensch mit scharfem Verstand, ein Raubtier mit unfehlbaren Instinkten. Die einzige Möglichkeit, seine Aufmerksamkeit zu bannen, bestand darin, ihn frontal anzugreifen, Unschuld zu mimen und ihm den Eindruck zu vermitteln, er habe die Situation unter Kontrolle.
    Aus diesem Grund hatte sich Mark in hemmungslose Naivität verstiegen, um dann gegen Ende eine gewisse Zweideutigkeit durchscheinen zu lassen – vielleicht war Elisabeth nicht ganz so närrisch, nicht ganz so einfältig, wie sie tat …Als der Wortlaut feststand, wandte er sich der Schrift zu. Dank seinem privaten Archiv – in der Redaktion des Limier erhielt er oft Briefe von Frauen – hatte er ausreichend Studienmaterial und brachte nun Stunden damit zu, die handgeschriebenen Texte seiner Korrespondentinnen wieder und wieder abzuschreiben, die sorgfältig gemalten Buchstaben zu reproduzieren, bis er sich nach und nach eine weibliche Handschrift zugelegt hatte.
    Als Nächstes besorgte er sich Briefpapier, ein teures Büttenpapier, und eine Füllfeder. Eine persönliche Note, fand er, bekäme seinem Brief nicht schlecht, und er beschloss, das Papier zu parfümieren, natürlich sehr diskret. Zuerst hatte er an ein Parfum für junge Mädchen gedacht, Anaïs Anaïs von Cacharel, besann sich aber eines Besseren: Die vierundzwanzigjährige Elisabeth benutzte gewiss keinen Jungmädchenduft, sondern würde ein Frauenparfum wählen, in dem Kraft, Verführung, Reife anklangen. Er

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