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Das schwarze Blut

Titel: Das schwarze Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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beschädigt war – defekt. Er sah sich schon mit einem Arm in der Schlinge. Hadschdscha rückte endlich mit der Sprache heraus:
    »Wie viel verlangst du, um mein Beschützer zu werden?« »Ich soll dich beschützen? Vor wem?«
»Den Chinesen. Den Philippinern.«
»Was sollen dir die Chinesen schon tun? Du bist doch ihrbester Kunde.«Denn Hadschdschas Vater hatte sich verrechnet: Sein aristokratisches Söhnchen, weit entfernt von jeglichem Entzug, weilte hier in Kanara im Drogenparadies, zumal ihm seine Mutter heimlich immer wieder ein kleines Vermögen zukommen ließ.
    »Ich … ich hab so eine Ahnung, dass es damit bald vorbei …« »Wieso?«»Wenn mein Vater rausfindet, was meine Mutter mir gibt, dann …«Hadschdscha verstummte wie üblich mitten im Satz. Das war eine Macke von ihm: Immer verschluckte er die letzten Worte, kein Satz war je vollständig. Reverdi verspürte einen Anflug von Ekel: Dieser Fixer erinnerte ihn an Ipoh mit seinen sedierten Zombies.
    »Wie willst du mich bezahlen, wenn du keine Kohle mehr hast?«
»Ich könnte dir … Also … Ich könnte für dich …«
Hadschdscha senkte die Augen. Reverdi verstand seine Verlegenheit. Er stand von der Bank auf.
»Ich steh nicht auf dich, Kleiner. Wenn ich dich beschütze, dann weder für deinen Arsch noch für dein Geld.«
»Sondern?«
»Weil es mein freier Wille wäre. Nichts anderes. Verpiss dich.«
Das Papasöhnchen warf ihm einen verächtlichen Blick zu und rührte sich nicht. Obwohl er ein schmächtiges Kerlchen war und ein Federgewicht, kehrte er auch im Knast den Aristokraten heraus. Reverdi hob die Stimme:
»Verpiss dich, hab ich gesagt!«
Diesmal hatte er Erfolg, der tengku machte sich davon. Trippelnd wie eine Maus mit empfindlichen Pfoten entfernte er sich auf dem heißen Beton.
Die Sirene rief zum Appell. Elf Uhr dreißig. Im selben Moment erkannte Reverdi die wahre Ursache seiner schlechten Laune. Es lag weder an dem malaiischen Scheißkerl noch an seinem angeknacksten Schlüsselbein. Auch nicht an der dumpfen Bedrohung, die von allen Seiten näher rückte. Nein, es war dieses Mädchen, diese Elisabeth. Das war es, was ihn beunruhigte.
Denn insgeheim, gegen seinen Willen, wartete er auf eine Antwort. Jimmy hatte sich für heute angekündigt, und bei dem Gedanken, dass in der Post nichts von ihr dabei war, wurde ihm angst und bang. Diese Erkenntnis verbitterte ihn tief – das war ja die reinste Abhängigkeit. Wie konnte er an einer derartigen Belanglosigkeit hängen?
Jimmy war diesmal in bester Laune. Er engagierte sich mit Leib und Seele für diesen Fall und schien als Gegenleistung stets die eine oder andere Solidaritätsbekundung von seinem »Mandanten« zu erwarten. Jacques war noch nicht an den Boden gekettet, als er schon loslegte:
»Die Woche war sehr positiv. Die Fischer haben darauf verzichtet, Sie zu belasten. Ich hab ihnen natürlich einen Deal vorgeschlagen: Wenn sie nicht gegen Sie aussagen, unterlassen Sie im Gegenzug die Anzeige gegen sie wegen versuchten Totschlags. Wir vergessen, dass sie versucht haben, Sie aufzuhängen. Das Abkommen ist für beide Seiten vorteilhaft.«
Reverdi ließ ihn reden und sich in Selbstzufriedenheit aalen.
»Das ist noch nicht alles. Ich bin auf einen schwerwiegenden Verfahrensfehler bei Ihrer Verhaftung gestoßen. In dem Durcheinander haben die Polizisten vergessen, Ihnen die Bedingungen Ihrer Festnahme schriftlich zu überreichen. Hinzu kommt, dass Sie auf dem zentralen Polizeirevier kein Wort gesagt haben, und das spielt vor dem malaiischen Gesetz eine entscheidende Rolle. Denn damit tauchen Sie im Protokoll ganz einfach nicht auf. Ich werde mich in der Rechtsprechung kundig machen, wie sich das auswerten …«
»Hast du Post für mich?«Er suchte seinen Schlupfwinkel auf.
    Zur Zeit der Essensausgabe waren die Duschen menschenleer. Er ging an den Waschbecken vorbei und schloss sich in einer Kabine ein, wie ein Schüler, der heimlich rauchen will.
    Seine Post war fast auf das doppelte Volumen angeschwollen, doch er hatte nur einen einzigen Brief mitgenommen. Die Schrift auf dem Umschlag hatte er sofort erkannt. Die Rundungen der Vokale, die Schleifen in den Oberlängen von l und b. Ihren zweiten Brief hatte sie express geschickt. Auch am anderen Ende der Verbindung herrschte also eine gewisse Ungeduld.
    Den Brief zu überfliegen dauerte nur wenige Sekunden, doch auf seinen Lippen blieb ein Lächeln zurück. Er hatte sie richtig eingeschätzt. Er würde sich gut amüsieren mit ihr. Elisabeth

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